Bauers Depeschen


Samstag, 25. Mai 2019, 2093. Depesche



 



GEHT WÄHLEN - und wählt die, von denen wir wissen, dass sie was tun, weil sie ein politisches Bewusstsein haben. Wählt die, die sich gegen rechts ins Zeug legen und sich auch auf der Straße für Gerechtigkeit engagieren. Wählt nicht die, die euch ein bisschen Stadtkosmetik als politische Veränderungen verkaufen wollen. Und stimmt gegen die Faschisten in Europa.



Hört die Signale!

DAS LIED ZUM TAG



Neue StN-Kolumne:

DAS GROSSE ÜBEL

Der sogenannte Starkregen diese Woche war womöglich ein Zeichen für die Kesselmenschen, in sich zu gehen. Perfekte Wellen, von SUV-Geschossen auf unsere Gehwege gespült, könnten uns ersäufen. Mag uns der Trip ins Innere, wie es uns die Komiker Willi Reichert und Oscar Heiler gelehrt ­haben, auch zu weit sein. So ist es doch unaufschiebbar, ans Eingemachte zu gehen. Der Urnengang an diesem Sonntag ist auch wichtig für das Gewissen: „Der Wähler legitimiert mit seiner Wahl die Entscheidung, die später gegen ihn gerichtet wird“, hat uns der Politiker Herbert Wehner mal aufgeklärt.

Viele haben ihr Kreuz schon gemacht, sodass ich mit diesen Zeilen höchstens noch zwei, drei Unentschlossene vor den Ab­stimmungen für Stadt, Region und Europa einer Gehirnwäsche unterziehen kann. Zu ­Wehners Zeiten kursierte als Wahlempfehlung hartnäckig das „kleinere Übel“. Gemeint war die SPD. Die aber ist heute so klein, dass sie sogar als Übel nur mehr beachtet wird, wenn ihr U-36-Chef zwei, drei sozialdemokratische Gedanken äußert.

Die Strategie des kleineren Übels haben aufgeklärte Zeitgenossen abgehakt, weil es heute zuallererst das große Übel zu bekämpfen gilt: den Rechtsruck mit seinen rassistischen und völkischen Kräften, die dem Staatswesen, das wir liberale Demokratie nennen, den Kampf angesagt haben. Zwischenfälle wie ein unfreiwillig im Unterhemd gefilmter Austro-Macho aus dem rechtsextremen Milieu werden Europas Nationalisten auf ihrem Weg in die sogenannte Mitte nicht aufhalten.

Wenn ich die Plakate des Kommunalwahlkampfs richtig interpretiere, haben wir eine seit Kurzem sogar den bürgerlichen Parteien bekannte Krise: immer weniger freie Wohnungen, immer mehr unbezahl­bare Mieten für Normalverdiener, von den Armen zu schweigen. Dieses Desaster als Folge radikal profitorientierter Immobilienpolitik haben viele erst bemerkt, als couragierte Frauen und Männer leer stehende Wohnungen besetzten. Heute versammeln sich zur Besichtigung einer freien Mietwohnung so viele Bewerber, dass ­Passanten die Straßenseite wechseln – aus Angst, es handle sich um einen anarchistischen Aufstand.

In Wahrheit allerdings wird das von Staats wegen gebrochene Recht auf Wohnen völlig überschätzt: „Eigentlich ist es ein bisschen ein Luxusproblem“, sagt Stuttgarts CDU-Fraktionsvorsitzender Kotz. Die Mietpreise bewiesen lediglich, wie attraktiv die Stadt dank ihrer Arbeitsplätze und Kulturangebote sei. Nach dieser scharf­sinnigen Analyse liegt die Lösung auf der Hand: Die Mietpreise werden sofort fallen, wenn wir die Theater, Konzerthäuser und Museen schließen. Welches Verständnis von städtischer Kulturpolitik hinter der „Luxusproblem“-Floskel steckt, lässt sich leicht erahnen: Die Kunst ist nur noch dazu da, die Stadt mit Leuchttürmen und Events zu vermarkten. Dass Kulturarbeit auch subventioniert wird, um der Gesellschaft zu einem aufgeklärten, demokratischen Geistesklima zu verhelfen, spielt ­keine Rolle mehr. Es geht nur noch um Vehikel für Geschäfte.

Dabei liegt es auf der Hand, wie sehr die Wohnungsnot unser Leben beeinflusst: Soziale Ungerechtigkeiten schüren das Sündenbock-Denken und damit den Rechtsruck. Schuld an der Misere hat dann nicht etwa die jahrzehntelange Immobilienpolitik zugunsten von Investoren, sondern „der Ausländer“.

Bei den spezialisierten Kandidaten der Parteien und Initiativen, die zur Wahl antreten, fehlt mir nicht nur bei der Wohnungs­not der Blick fürs Ganze. Wer etwa im Kulturbereich, vorzugsweise in der schwach oder gar nicht subventionierten Off-Szene, ohne politisches Bewusstsein bessere Bedingungen fordert, ignoriert voll hipp und cool gesellschaftliche Zusammenhänge. Kunst und Kulturarbeit erfordern eine Haltung. Entsprechend muss auch auf ökologischer Ebene für ein geistiges und politisches Klima gekämpft werden, das sinnvolle Klimapolitik erst möglich macht.

Anders gesagt: Neue Künstlerateliers oder Proberäume haben zwar ähnlich wichtigen Einfluss auf das Zusammenleben in einer Stadt wie Straßen und Plätze, die nicht nur mit Ampellichtern und Auspufflärm bespielt werden. Wichtiger aber ist: Inzwischen müssen wir Kunst- und Denkfreiheit über die speziellen Interessen einzelner Initiativen hinaus gemeinsam verteidigen. Wir sind an einem Punkt angelangt, an dem wir kulturelle und soziale Arbeit vor rechtsnationalistischen Angriffen schützen müssen. Politische ­Beliebigkeit – gut gemeint, naiv gemacht – ist da so gefährlich wie das Nichtstun. Wachsamkeit ist überall notwendig, auch in der Unterhaltung und im Sport. In einem Fußballverein haben Rassisten und Nationalisten nichts zu ­­suchen. Fußball ist ein internationales, menschlichen Werten verpflichtetes Spiel.

Also müssen die Demokraten jetzt gegen das große Übel anwählen, bevor auch vernünf­tige Parlamentsarbeit noch stärker von rechtsnationalen Kräften erschwert, ­blockiert und beeinflusst wird. Wachsame ­­Abgeordnete im Landtag können ein Lied ­davon singen, das man im Rathaus hören sollte. Es ist diesmal so wichtig wie schon lange nicht mehr, wählen zu gehen. ­Kommunal, regional und europäisch sowieso: Die Band Geier Sturzflug feierte 1983 einen Hit mit dem Titel „Besuchen Sie Europa ­(solange es noch steht)“. Die Refrain-Zeile ­stammte aus der Werbung eines US-amerikanischen Tourismusunternehmens. Klingt ­verdammt aktuell.



 

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