Bauers Depeschen


Freitag, 22. Februar 2019, 2069. Depesche



 



FLANEURSALON IM WALDHEIM GAISBURG

Auf Einladung machen wir am Sonntag, 12. Mai, einen Flaneursalon im Waldheim Gaisburg/Friedrich-Westmeyer-Haus. Näheres demnächst.



Hört die Signale!

MUSIK ZUM TAG



StN-Kolumne:

DARAUF EINEN KURZEN

Es ist ein Frühlingsfebruar, die Schritte fallen dem Spaziergänger leicht. Zur Feier des Tages rezitiert er ein Werk des Dichters Thomas Gsella auf das erregende Klima: „Wenn ich einmal alt bin, / Wird die Welt noch wärmer sein. / Und sie wird noch ärmer sein, / Wenn ich einmal kalt bin.“

So gehe ich dahin in der Stadt, bis mich aus heiterem Himmel die tödliche Keule der Unsterblichkeit trifft: „Ewig mit euch“, droht mir einer von der Litfaßsäule. Es ist nicht der Schneider Karl Lagerfeld selig, sondern der Schnulzensänger Thomas Anders, der im Mai die Liederhalle heimsuchen wird. Seine Gefolgschaft wird dann erleben, was uns Woody Allen gelehrt hat: „Die Ewigkeit dauert lange, besonders gegen Ende.“

Beim Spazierengehen wird einem auf Schritt und Tritt die Bedeutung unserer Stadt bewusst. „Alle Shots 2 Euro“, lese ich an einer kleinen Kneipe in meiner Nach­barschaft. Nicht alle Mitglieder unserer internationalen Zivilgesellschaft werden diese Botschaft auf Anhieb verstehen: Bei den Shots handelt es sich um traditionelle Kurze, um kleinkalibrige Getränke, die dich erwärmen, bevor du erkaltest.

Gelebte Weltläufigkeit ist der Stoff, aus dem die Träume von der Weltstadt sind. Als neulich im Rathaus die LBBW-Pläne von der Neubebauung der unteren Königstraße behandelt wurden, glänzte der CDU-Chef Kotz mal wieder mit einem verbalen Volleyschuss: Er erwarte, sagte er, „eine Landmark, die in jedem Reiseführer über Stuttgart abgedruckt wird“.

Das englische Wort „landmark“ bedeutet unter anderem „Wahrzeichen“ und „Sehenswürdigkeit“ und zeugt in einem Provinzparlament vom eisernen Willen seiner Insassen, auf Weltniveau zu talken. Es wäre deshalb grob fahrlässig, den Begriff „Landmark“ angesichts üblicher Rathausrhetorik mit „Landeimarke“ zu übersetzen. Wir sind mitten im Mietenwahnsinn auf dem Weg, die City of Landmarks worldwide zu werden. Darauf einen doppelten Kurzen!

Bereits bei der Debatte um die Interimsoper beziehungsweise ein Konzerthaus hat die CDU einen Architekturwurf mit weltweitem „Landmark“-Anspruch gefordert, damals noch in aller Bescheidenheit nur ein Monument, das sich am Weltruf der Hamburger Elbphilharmonie zu orientieren habe. Als einfacher Junge vom Land kann ich da nicht mithalten, weil ich bereits über eine halbwegs ansehnliche Kneipe am Neckarufer glücklich wäre und beim Blick vom Dach der Elbphilharmonie geschockt war über das viele Wasser unter mir. „Sofort einen Shot“, habe ich gebrüllt. Selbstverständlich werde ich mit stehendem Applaus verfolgen, wie unser neuer Musentempel nach Hamburger Vorbild auf einen stolzen Kaispeicher am überdolten Nesenbach gesetzt und gleichzeitig eine Landmark in der Königstraße errichtet wird. Schade bloß, dass die internationalen Stuttgart-Reiseführer nur noch digital erscheinen können, weil die Baumbestände dieser Welt nicht mehr für ein Hochglanzbuch mit den unzähligen Wahrzeichen unserer Stadt reichen werden. Sind die Touri-Tipps aber erst mal fertig, brauchen wir nur noch den richtigen Marketing-Sprech, ich sach mal das passende Wording, um die vielen Schlaglöcher und stümperhaft geflickten Pflastersteinbeläge unserer Stadt unter den Teppich zu kehren. Die Pflastersteine wurden übrigens nicht von Demonstranten geklaut, ich weiß das: I shot the sheriff.

Mein Landmark-Einwurf, ein Ort wie die Container City an den Wagenhallen, der Künstlerkolonie am Nordbahnhof, könnte als Wahrzeichen trotziger Fantasie und professioneller Schaffenskraft aus dem Kessel ragen, ist zugegeben ziemlich engstirnig. Dummerweise ist diese kleine Wunderwelt ja etwas sehr Eigenes und deshalb von der Planierraupe bedroht. Wahre Landmarks sind bei uns immer nur die, die selbsternannte Weltenschöpfer auf ihren Spesentrips in anderen Städten gesehen haben – und deshalb dringend kopiert werden müssen.

Wir lernen: Ohne eine geile Think-big-Challenge wirst du Stuttgart nie in die erste Liga des Weltstadt-Rankings führen. Schon gar nicht, solange der VfB am Tabellenende der Bundesliga herumkrebst und die Mercedes-Benz-Arena imagemäßig abstinkt wie ein Euro-4-Diesel.

Meine Damen und Herren, unser Motto muss lauten: Landmarks statt Landluft.

Damit bin ich wieder beim Klima und bei der CDU, die als Christliche Diesel-Union die Kommunalwahlen im Mai gewinnen will. Jedenfalls hat sie den etwas fragwürdigen Brennstoff, dem in Feuerbach eine Straße gewidmet ist, zum Topthema ihres Wahlkampfs erklärt. Diese Strategie zum Wohle des motorisierten Fußvolks ist zum Glück frei von jedem Populismus und jeder ideologischen Verbohrtheit. Sie entspricht dem Feuerwehrmann, der sich fürs Löschen von Bränden feiern lässt, die er selbst gelegt hat. In Fall CDU geht es neben Landmarken auch um Duftmarken – um ein Odeur, das von keinem Hauch banaler Fakten getrübt werden darf.

Auf der Facebookseite „Kein Diesel-Fahrverbot in Stuttgart“, die zu Demos aufruft, heißt es: „Wir sind die Bürger und wir bilden das Volk.“ Sollte unsereiner diese Art Volksbildungsbedürfnis spüren, wird er nach Lektüre besagter Seite dann doch die Grundkurse der Volkshochschule vor­ziehen. Weiterhin aber gilt: Ewig mit euch – die Nase am Auspuff, bis wir noch älter und dann kälter werden.

 

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