Bauers Depeschen


Freitag, 09. November 2018, 2028. Depesche



 

FLANEURSALON IM SCHLESINGER

Der letzte Flaneursalon des Jahres: Stefan Hiss, Eva Leticia Padilla und ihr Gitarrist spielen/singen ihre Lieder - und auch hinreißende Duette. Unsereins liest kleine Geschichten. Durch den Abend führt der Wortartist Timo Brunke. Am Dienstag, 11. Dezember, im schönen Gasthaus Schlesinger Int. Und dann ist Weihnachten. (Reservierungen nur im Lokal)



POGROM: HEUTE GEDENKABEND IN CANNSTATT

In diesem Jahr jährt sich die Pogromnacht mit den verbrecherischen Angriffen der Nazis auf die Juden in Deutschland zum 80. Mal. Der 9. November 1938 leitete den Holocaust ein. Auch in Stuttgart wütete der faschistische Mob. Das Bündnis zum Gedenken an die Opfer der Pogromnacht in Cannstatt veranstaltet am Freitag, 9. November, auf dem Platz der von den Nazis zerstörten Synagoge in der König-Karl-Straße 45-47 eine Stunde der Erinnerung, die sich auch mit den Bezügen zur Gegenwart beschäftigt. Beginn 18 Uhr. Der Abend wird um 19 Uhr mit Lese- und Filmbeiträgen im Cannstatter Rathaus fortgesetzt. Besonderer Gast mit Vorträgen an beiden Orten ist die Lehrerin im Unruhestand und Aktivistin Silvia Gingold aus Kassel, Tochter der deutschen Widerstandskämpfer Ettie und Peter Gingold, die sich als verfolgte Juden im französischen Exil der Résistance anschlossen. Silvia Gingold wird bis heute wegen ihres friedenspolitischen und antifaschistischen Engagements im VVN-BdA vom Verfassungsschutz beobachtet Am Platz der - mithilfe der Feuerwehr - niedergebrannten Synagoge sprechen auch der evangelische Pfarrer Ulrich Kadelbach und eine Aktivistin des AABS. Es singt der Freie Chor. Unsereins moderiert.



Hört die Signale!

DAS LIED ZUM TAG



StN-Kolumne:

REVOLUTION

Die Wahrheit über die deutsche Revolution 1918 mit den wichtigen Ereignissen in Stuttgart werden wir 100 Jahre später nicht in einer Kolumne klären. Die wäre kaum groß genug, darin ein passendes rotes Taschentuch zu entfalten. Deshalb kann ich nur tun, was ich meistens tue: Ich folge als Spaziergänger den historischen Spuren, diesmal nicht allein, sondern mit neugierigen Zeitgenossen, angeleitet von Erhard Korn, dem Vorsitzenden der Stuttgarter Rosa-Luxemburg-Stiftung. Vor seiner Pensionierung war er Lehrer, und seit jeher ist er ein passionierter Geschichtsforscher, der unzählige Details über die Arbeiterbewegung zusammengetragen hat. Man wünscht sich, dass er bald schon Zeit findet, das Stuttgarter Kapitel der Novemberrevolution 1918 in einem Buch aufzuschreiben. Diesen packenden Stoff über eine Stadt, die so vieles ihrer Geschichte verschweigt.

Wir starten am Musikpavillon in der Königstraße. Heute spielen an diesem Ort gelegentlich Jazzbands. Touris knipsen sich, das Neue Schloss als Kulisse, mit ihren Handys gegenseitig. Nicht geläufig war mir, dass im Musikpavillon Revolutionäre zu zigtausend Arbeitern sprachen. Nur schwer kann man sich heute vorstellen, wie es möglich war, ohne Megafone und Mikros die Massen mit Reden zu mobilisieren.

Der Schriftsetzer Fritz Rück, 1895 in Stuttgart geboren, seit 1913 Mitglied der SPD, stimmt am 30. Oktober 1918 bei einer Anti-Kriegskundgebung vom Pavillon aus 5000 Demonstranten auf dem Schlossplatz ein: „Ein Hoch auf die Weltrevolution!“ Wie wir heute wissen, wird er scheitern. Vor seinem Tod 1959 hat er uns in seinem Buch „Der Weg der deutschen Sozialdemokratie“ die Erkenntnis hinterlassen: „Es ist heute leicht festzustellen, was damals Illusion und Wirklichkeit war, wobei in manchen Illusionen – auf längere Dauer gesehen – mehr Wirklichkeit steckt als in faulen Kompromissen der Realpolitiker.“

Die Geschichte der Revolution ist vor allem die Geschichte der SPD. In Stuttgart steht sie damals zum großen Teil weit links und ist 1917 maßgeblich an der Gründung der USPD (Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands) beteiligt. Die konservativen, teils königstreuen Sozis nennen sich MSPD (Mehrheitssozialdemokratische Partei Deutschlands).

Einer der führenden Köpfe der bürger­lichen Sozis ist Wilhelm Keil, ein ergebener Untertan des Württembergischen Königs Wilhelm II. Von 1919 bis 1933 ist er SPD-Fraktionschef im Landtag und nach dem Zweiten Weltkrieg von 1947 bis 1952 Landtagspräsident. Woran wir erkennen, wie lange der Geist des demokratischen Aufbruchs wirkt. Im Grunde währt sein Einfluss bis heute, auch wenn die Auseinandersetzung mit der Revolution in Baden-Württembergs SPD, der schwächsten aller Zeiten, höchstens noch in Nischen geführt wird. Nach wie vor streiten sich Historiker, ob und wie die SPD den Aufstand verraten hat. Der legendäre Berliner Publizist Sebastian Haffner hat sein 1969 erschienenes Buch „Verrat“ später in „Deutsche ­Revolution 1918/19“ umbenannt.

Die Stuttgarter Ereignisse sind alles andere als lokalpolitische Fußnoten. Die Arbeiterbewegung spielt, dank vieler radikaler Kräfte bei Daimler, schon vor der Novemberrevolution eine große Rolle. Durch ein Kommunikationsproblem geht die Revolution in der Stadt sogar früher los als im Rest des Reichs. Ein Delegierter sitzt schon wieder im Zug nach Stuttgart, als bei der Versammlung der Revolutionären Obleute und Gewerkschafter in Berlin der Termin zum Aufstand am 4. November um einige Tage verschoben wird. In Kiel macht die Matrosenrevolte Furore, und am 4. November ziehen 30 000 Menschen auf den Schlossplatz, wo Fritz Rück im Musikpavillon den Rücktritt des Königs fordert.

Fünf Tage später ist es soweit: Die Aufständischen besetzen das so gut wie nicht mehr bewachte Wilhelmspalais. Das Militär ist übergelaufen. Im Haus des Herrschers soll sich ein Vorfall abgespielt haben, der dem Hauptmann von Köpenick alle Ehre macht. Ein politisch ahnungsloser Techniker namens Gustav Esterle, auf dem Weg zum Stuttgarter Patentamt, wird Zeuge der Besetzung und spielt sich, so liest man später, als Arbeiterführer auf. Mit lauten Kommandos will er die ohnehin nicht besonders königsfeindlichen Eindringlinge zur Ordnung gerufen und damit einen „Sturm“ auf das Palais verhindert haben.

Die Revolutionswirren sind gespickt mit fabelhaften Anekdoten, die jedoch nicht über den tödlichen Ernst der Stunde hinwegtäuschen können. Im Januar 1919 wird es beim Tagblatt (am späteren Tagblattturm) Tote geben, als die im neuen Bahnhof stationierten Sicherheitskompanien des Grafikers und Leutnants Paul Hahn eine Besetzung der Druckerei durch bewaffnete Revolutionäre niederschlagen. Hahn, damals im Arbeiter- und Soldatenrat und später im Widerstand gegen die Nazis, ist heute ein Weg zwischen Bosch-Krankenhaus und Polizeipräsidium gewidmet.

Wir Spaziergänger auf den Spuren der Revolution streifen den ehemaligen Landtag am Kleinen Schlossplatz, wo heute die Drogeriekette dm und Feinkost Böhm logieren. Wir blicken von der Dorotheenstraße, der Adresse des einstigen Innenministeriums, hinüber zum Züblin-Parkhaus, auf das Gelände des früheren Stuttgarter Gewerkschaftshauses in der ehemaligen Gaststätte Bären.

Auf unserer Route gibt es unendlich viel zu erzählen. Realpolitiker werden diese Erinnerungen in ihrer Geschichtsvergessenheit inzwischen als „Romantik“ abtun. Schließlich lässt sich heute ihre eigene, lange hochverehrte Königin bequemer stürzen: Es genügt, in Bayern und Hessen Grüne und AfD statt CDU und SPD zu wählen.

>> Am heutigen Freitag, 9. November, macht Erhard Korn wieder einer Spaziergang auf den Spuren der Revolution. Treffpunkt: 16 Uhr, Musikpavillon. Um 20 Uhr gibt es im Gewerkschaftshaus einen Vortrag zum Thema.



OFFENES FORUM -

WORKSHOPS GEGEN RECHTS

Unser 2. Offenes Forum in Stuttgart findet statt am Samstag, 1. Dezember 2018, von 14 Uhr bis ca 17 Uhr im Württembergischen Kunstverein am Schlossplatz. In drei Workshops/Arbeitsgruppen geht es um die Themen "Umgang, Konfrontation mit Rechten im Alltag", "Protestformen", "Strategien gegen Rechts“. Referate halten u. a. Jonas Weber von der Initiative Stammtischkämpfer*innen, der Arzt und Aktivist Dr. Michael Wilk, der Schriftsteller Wolfgang Schorlau und eine Aktivistin von Stuttgart gegen Rechts. - Unterstützt von Rosa-Luxemburg-Stiftung, Die Anstifter, Aktionsbündnis Stuttgart gegen Rechts, ver.di u. a.

>> Und hier kann man sich ANMELDEN: (für den besseren Überblick): offenesforum@posteo.de

 

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