Bauers Depeschen


Samstag, 21. Januar 2017, 1727. Depesche



 



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Und ich freue mich, wenn Sie unseren Flaneursalon live besuchen - beispielsweise am Donnerstag, 9. Februar, im Esslinger Kabarett der Galgenstricke und am Montag, 20. Februar, im Stuttgarter Gustav-Siegle-Haus, wo wir den fast vergessenen Kleinen Saal mit seiner Kronleuchterkulisse wiederbeleben: mit Stefan Hiss, Marie Louise (voc) & Zura Dzagnidze (g) und Timo Brunke (Conférence). Hier gibt es Karten: online EASY TICKET und telefonisch 07 11/ 2 555 555.



Die aktuelle StN-Kolumne:



WEICHES WASSER

Viele Menschen beschweren sich zurzeit über eine Ungeheuerlichkeit in unserem Land: In diesem Januar gibt es kalte Wintertage. Mich wärmt meine wichtigste Bauernregel: „Der Januar muss krachen, soll der Frühling lachen.“

Manchmal sitze ich in einem Stadtbus und notiere zum Zeitvertreib die Werbesprüche an Häuserwänden und in Vitrinen. „Alle 11 Minuten verliebt sich ein Single über Parship“: Was für eine bescheuerte Anmache voller leerer Versprechen. Es gab Zeiten, da habe ich mich alle fünf Minuten verliebt, ohne je auf Gegenliebe zu stoßen.

In der Kriegsbergstraße, in der Nähe der Stiftung Baden-Württemberg, steht an der Fassade: „Liebe Deine Marke wie Dich selbst.“ Einen dümmeren Satz habe ich selten gehört. Er bedeutet nichts anderes als: „Liebe Deine Sioux-Sandale wie Dich selbst.“

Die benachbarte Stiftung BW glänzt mit einem ähnlich intelligenten Slogan: „Wir stiften Zukunft“ – als ob die Zukunft nicht von allein käme und wieder stiften ginge, unbemerkt von allen Stiftungsknechten, die gerade mal wieder irgendwelche windigen Immobiliendeals aushecken.

Leider steht auf derselben Busstrecke nirgendwo: „Liebe Fahrgäste, wünschen Sie Ihrem Busfahrer einen guten Tag, wenn Sie einsteigen. Das entspannt die Weltlage.“ Diesen Satz hat mich weiß Gott kein Benimmlehrer gelehrt. Ich frage mich schon lange, warum so selten jemand den Busfahrer grüßt. Warum Menschen zusammenzucken und misstrauisch gucken, wenn ich ihnen im Fahrstuhl oder im Wald und auf der Heide einen guten Morgen wünsche. Nein, würde ich in solchen Augenblicken am liebsten sagen, ich bin nicht scharf auf Ihren Geldbeutel. Und auf sonst auch nix.

Gelegentlich allerdings spüre ich auch meinen eigenen Argwohn, erlebe Momente, in denen mich die anerzogene Ängstlichkeit angesichts des „schwarzen Mannes“ aus meinen Kindertagen streift. Angst ist ja etwas Diffuses, Irrationales, oft unbegründet. Ich stehe in der Straßenbahn, neben mir drei junge Männer, alle besser gebaut als ich, rasiermesserscharf geschnittene Bärte, die Hautfarbe dunkler als meine. Sie schweigen. Ihre Blicke sind gefährlich. Ich kenne mich aus mit Straßenjungs, war ja oft genug im Kino.

Als die Bahn hält und die jungen Männer aussteigen wollen, drücke ich, weil ich am nächsten stehe, den Türöffner. Einer der drei Bärte schaut mich an und sagt mit einem Lächeln über dem tätowierten Hals: „O, danke, das ist aber nett von Ihnen.“ Ich muss laut lachen, über mich selbst, und mein Gegenüber lacht mit. Ich glaube, er hat gemerkt, warum ich lache. Weil ich ein Trottel bin, der verunsichert auf Äußerlichkeiten reagiert wie ein Hosenscheißer vom Land, obwohl ich es besser wissen müsste – schon weil ich mir im Kampf gegen den unterschwelligen Rassismus jahrelang genügend Tritte in den eigenen Hintern verpasst habe. Diese Disziplin ist nach wie vor nötig, um die Dauerpropaganda der Höckes und anderer Nazis auch noch im Schlaf abzuwehren.

Wer im Internet Formulare ausfüllt, wird regelmäßig zu diesem Klick aufgefordert: „Bitte bestätigen Sie, dass Sie kein Roboter sind.“ Oder, wie bei „Spiegel online“, etwas prägnanter: „Ich bin kein Roboter.“ Inzwischen bin ich mir nicht mehr sicher, ob ich dieser Aufforderung noch guten Gewissens folgen kann. Weiß nicht, ob ich noch Mensch bin oder schon Roboter. Wenn ich mich im Internet herumtreibe, ohne es noch bewusst wahrzunehmen, benehme ich mich nicht anders als eine Maschine. Meine Klicks auf Facebook oder sonstige Taschentelefon-Türen zum digitalen Irrgarten haben sich im Lauf der Zeit so automatisiert, dass Entziehungskuren unumgänglich sind.

Ein Computerprogramm, das selbstständig im Internet arbeitet, nennt man Bot – eine Abkürzung für Roboter. Diese virtuellen Schurken beeinflussen heute mit ihrer Endlospropaganda politische Wahlen, was jedoch nicht in allen Fällen gilt: Als die Grünen neulich ihren Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl kürten, waren dafür nicht Computer-Bots verantwortlich. Das war menschliches Versagen. Die Berliner Verkehrsbetriebe hatten zuvor schon Cem Özdemir und seine schwäbische Entourage im Visier, als sie ihre Busse mit dem Hinweis dekorierten: „Liebe Schwaben, wir bringen Euch gerne zum Flughafen.“

Özdemir ist Wahl-Kreuzberger mit Uracher Migrationshintergrund. Selbst bei seinen Brandreden klingt er trotz schwäbischen Akzents wie ein in Amerika programmierter Politroboter. Er war ja mal Zögling des German Marshall Fund of the United States, einer Stiftung zur Förderung transatlantischer Beziehungen. Diese Beziehungen fördert neuerdings ein gewisser Donald Trump.

Die wahre Bedeutung des Plurals „Bots“ kenne ich noch nicht lange, da dieser Begriff bis vor Kurzem von einer gleichnamigen Popgruppe aus den Niederlanden in meinem Spatzenhirn blockiert wurde. In den Achtzigern, als Cem schon ein grüner Parteijunge war, wurden die Bots als Schrittmacherkapelle der Friedensbewegung bekannt. Sie spielten Lieder, die sie mithilfe prominenter Künstler wie Konstantin Wecker und Hannes Wader ins Deutsche übersetzt hatten. Ihre Songs beschallten Deutschland inklusive DDR, und die fesselnden Zeilen eines ihrer größten Hits motivierte uns, Menschenketten zu bilden: „Komm feiern wir ein Friedensfest / und zeigen, wie sich’s leben lässt / Mensch! Menschen können Menschen sein / das weiche Wasser bricht den Stein.“ Selbst die übelsten Kriegstreiber in Ost und West verloren die Lust auf einen Atomkrieg, sobald sie den Rudi-Carrell-Akzent der Bots hörten.

Ich wünschen Ihnen noch einen schönen kalten Januartag, dass es kracht.



 

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