Bauers Depeschen


Donnerstag, 18. Februar 2016, 1589. Depesche

 

NACHTRAG: Stuttgarter Kickers - Holstein Kiel 0:0



NÄCHSTER FLANEURSALON am Dienstag, 22. März, in der Friedenau, Ostheim. Mit den Musikern Stefan Hiss, Marie Louise & Zura Dzagnidze. Durch den Abend führt Michael Gaedt. Beginn 20 Uhr. Im schönen Wirtshaussaal der Friedenau werden ab 18 Uhr Essen & Getränke serviert. Reservierungen: 0711 / 2 62 69 24.



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LIED DES TAGES



Die aktuelle StN-Kolumne:

KEIN STEHZEUG

In der Straße unter meinem Fenster bohren Männer in orangefarbenen Westen die Straße auf. Überall sind Leichen begraben, und irgendwer muss sich darum kümmern. Der Europa-Politiker Oettinger, durch das Stakkato seines Kalaschnikow-Schwäbisch und einer in Englisch gehaltenen Brandrede bekannt geworden, hat der Welt mitgeteilt, er würde sich erschießen, wenn die Kollegin Petry (AfD) seine Ehefrau wäre. Ein Schuss, von dem man nicht weiß, ob er nach hinten oder nach vorne losging: Viele Kommentatoren in den sozialen Netzwerken wünschten sich umgehend, Herr Oettinger und Frau Petry sollten zügig heiraten. Und alle armen Teufel begannen mit Marilyn Manson zu singen: „Suicide Is Painless“.

Ein anderer schmerzfreier Fehlzünder aus dem Schwäbischen hat gerade, ein Vierteljahrhundert nach dem Ende der Sowjetunion, das Ende der Geschichte neu interpretiert: Die Zeit der Ponyhof- und Pippi-Langstrumpf-Politik sei vorbei, sagt der Grüne Palmer. Richtig verstanden hat das keiner. Zum einen hat sich der Tübinger Provinzfürst auf diese Weise nicht nur mit der starken Lobby heimischer Reit- und Fahrvereine angelegt, sondern auch die grünen Steigbügelhalter der Kanzlerin gegen sich aufgebracht. Zum anderen verhöhnt er mit Pippi Langstrumpf ausgerechnet eine ausgewiesene Realpolitikerin, die sich bei der Bekämpfung des Bösen stets mutig der Wirklichkeit stellt. Ihre Schöpferin Astrid Lindgren, dies nebenbei, hat einst mit ihrem Protest gegen Schwedens Steuerpolitik die Sozialdemokraten fast im Alleingang gestürzt. Palmer hingegen hat den Schwanz eingezogen, als es darum ging, Stuttgarts CDU-Oberbürgermeister Schuster zu kippen. Der Ponyhof-Spruch ist also nichts weiter als übliches Palmer-Pipi, in Fachkreisen auch als verbale Inkontinenz bekannt.

Aber gut, es ist Landtagswahlkampf. Da muss man schon mal die Hosen runterlassen, weil doch auf Kopfarbeit gepfiffen ist. Die Parteien haben wieder die Reste der Stadt mit Plakaten verunstaltet, und als Fußgänger kann ich mich nur wundern, was die Straßenverkehrsbehörden alles dulden. Die SPD beispielsweise hat so gut wie ohne Erklärung Fotos mit dem Gesicht eines Unbekannten aufgehängt, weshalb jetzt überall Autos scharf bremsen und sich vor den Plakaten Menschen mit gezückten Smartphones drängen: Die Leute wollen herausfinden, wer der Mann mit Namen Nils Schmid ist – und wie hoch die Belohnung, falls ihn einer kennt.

Man ist schließlich gewarnt. Die Piraten haben ein Plakat gehängt mit der Botschaft: „Vertrau keinem Plakat. Informier Dich!“ Selbstverständlich mache ich das, und dafür sind neben einem scharfen Auge auch gute Deutschkenntnisse erforderlich. Die FDP präsentiert ihre Spitzenkräfte stets im Doppel, nämlich mit einem schwarz-weißen Porträtfoto, das einen blauen Schatten hat. Dazu hat man im Fall eines gewissen Herrn Rülke mit magentafarbenen Buchstaben auf gelben Grund geschrieben: „Unser Ziel muss sein, dass jedes Kind seines erreichen kann.“ Dieser Satz ist marketingtechnisch brutalstmöglich hintergründig, hat gewissermaßen einen inhaltlichen Stolperer eingebaut, so dass der Leser auf seinem Gedankenpfad mit einer Plakat-Unterzeile weitergeleitet wird: „Der nächste Schritt für unser Land“.

Überhaupt hat es mir das auch inhaltlich virtuose Premium-Design der FDP angetan: „133 000 Handwerksbetriebe schaffen fürs Land. Zeit, dass es mal andersrum ist.“ Diese heroische Forderung erinnerte mich spontan an einen berühmten Satz des neoliberalen Kollegen John F. Kennedy: „Frage nicht, was dein Land für dich tun kann – frage, was du für dein Land tun kannst.“ Habe ich jetzt was durcheinandergebracht?

Da wir uns dank der FDP diesmal in der Champions League der Werbebranche bewegen, darf ich ein herausragend konkurrierendes SPD-Plakat nicht vergessen: Die Landtagswahlkampf-Debütantin Brum kämpft auf ihren Postern für „eine starke Kreativwirtschaft“, was sie mit einem grandiosen Wortspiel aus dieser Branche untermauert: „Furchtlos & neu“. Im Stil dieses Kalauers, gewidmet Deutschlands ruhmreicher Vergangenheit und dem VfB, erlaube ich mir die Prognose: Die SPD brumt – und bleibt sich fruchtlos treu.

Da der Slogan der Linken – „Baden-Württemberg plus sozial“ – in etwa so aufregend ist wie die Kioskreklame „Kaffee to go & mehr“, wende ich mich der allseits geschätzten CDU zu. Emotional extrem berührt hat mich ein Großplakat, das den CDU-Spitzenkandidaten diesmal nicht als Schießbudenfigur mit einem Plüschtier für die Kanzlerin, sondern als Gesprächspartner eines verdeckt abgebildeten Polizisten zeigt. Daneben steht: „Unsere Polizei stärken“. Spontan möchte man angesichts des schwarzen Wolfs und im Wissen um Handschellen und Gummiknüppel am Gürtel des Uniformierten rufen: „Herr Wachtmeister, im Namen des Volkes, tun Sie Ihre verdammte Pflicht.“

In die Polizistenmütze hat der Propa­gandachef übrigens noch eine Zusatzzeile montieren lassen: „Lust auf Zukunft“. Was damit gemeint sein könnte, versteht kein Mensch, falls es am Ende nicht wie üblich um die vom Zockertrieb gesteuerte Geilheit auf Profite von morgen geht. Wahrscheinlich aber erklärt den allgemeinen Sprachstuss im Wahlkampf ein Slogan der Grünen: „Innovation ist unsere Natur“.

Den erregendsten kreativwirtschaftlichen Abgang gönnt uns aber, ja wer schon, die FDP. Die allgemeine Autostau-Katastrophe im Kessel vor Augen oder in der Nase, klärt uns ihre Propaganda ein für allemal auf: „Es heißt Fahrzeug, nicht Stehzeug.“

In diesem Moment, da ich diese Zeilen schreibe, setzt vor meinem Fenster wieder der Baulärm ein, und das Rattern des Bohrers zwingt mich zu der Frage: Was wohl hat der Kopf der genialen Wortschöpfung „Stehzeug“ nicht in der Hose.

Pippi Langstrumpf, rette uns.



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