Bauers Depeschen


Donnerstag, 06. November 2014, 1376. Depesche



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FLANEURSALON LIVE mit Zam Helga, Ella Estrella Tischa, Toba Borke & Pheel am Samstag, 29. November, im Stadtteilzentrum Gasparitsch, Ostheim, Rotenbergstraße 125, gegenüber der Friedenau. 20 Uhr. EINTRITT FREI.



FLANEURSALON-INTIM mit Dacia Bridges & Gabriel Holz am Dienstag, 25. November, im Besen 66. 19 Uhr. Anmeldungen: BESEN 66



Dienstag, 16. Dezember: FLANEURSALON im SCHLESINGER! Großes Besteck. Vorverkauf läuft bereits. Karten in der Kneipe.



Es gibt noch Karten für DIE NACHT DER LIEDER am 9. und 10. Dezember im Theaterhaus. Die 14. Benefiz-Show in dieser Reihe. 2001 hab ich damit begonnen. Karten: THEATERHAUS - Telefon: 07 11 / 4 02 07 20.



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LIED DES TAGES



Die aktuelle StN-Kolumne:



KNALLE KNALLE BALLE

Morgens um zehn sind die Läden in der „Temporary Concept Mall für Fashion, Design, Vintage & Zeitgeist“ noch geschlossen. Fluxus nennt sich die neue, alternative Einkaufszeile in der Calwer Passage, einem architektonischen Glas- und Marmorrelikt aus den siebziger Jahren. Dem Anhängsel der Calwer Straße, von der Stadt lange als exklusiv und nobel gepriesen, galt einst in typischer Stuttgarter Weltläufigkeit die Mailänder Galleria Vittorio Emanuele II als städtebauliches Vorbild.

Mit der Zeit ging das Glamourstück den Bach runter. Ein Investor hat es jetzt temporär, auf drei Monate befristet, an junge Einzelhändler vermietet. Die Wahrzeichen ihrer italienischen Wegweiser haben Stuttgarts Kessel-Flicker inzwischen ja durch den Shopping-Klotz Milaneo und den Asphaltfleck Mailänder Platz ersetzt.

Ich gehe in das neue Fluxus-Lokal Café Bohème. Der Name deutet auf ein intellektuelles, künstlerisch geprägtes, irgendwie cooles, hippes Publikum hin, und der Kaffee schmeckt gut. Dazu leiste ich mir eine coole Butterbrezel und altbackene Gedanken.

Keine Frage, jedem ehrbaren Einzelhändler und Wirt jenseits der neuen Einkaufsbunker wünscht man jederzeit dasselbe wie mir der Kellner beim Abschied, nämlich „einen erfolgreichen Tag“. Auch empfinde ich es als gerade rührend, ein Lokal in der Calwer Passage im Jahr 2014 Café Bohème zu nennen. Richtig originell wird das Ganze allerdings, wenn man das Projekt (wie die Macher) als weltweit einmalig bezeichnet – und bescheiden Fluxus tauft.

Zwar bedeutet das Wort Fluxus ursprünglich Vergänglichkeit, steht also symbolisch für die zeitlich Begrenzung der Einkaufspassage. In erster Linie aber kennt man den Begriff von der in den sechziger Jahren in New York entstandenen Kunstrichtung Fluxus. Größen wie deren Mitbegründer George Maciunas, der Komponist John Cage, der Bildhauer Joseph Beuys, die Aktionistin Yoko Ono gehörten zu der aufmüpfigen, experimentellen Bewegung, die schnell auch Deutschland erreichte.

Einer ihrer Protagonisten hierzulande war Dieter Roth (1930 bis 1998), ein bildender Künstler und Schriftsteller, der oft auch in Stuttgart wirkte. Das Kunstmuseum am Schlossplatz widmet dem Performer und Multi-Media-Virtuosen, dem Schöpfer der berühmten „Literarischen Würste“, von 13. Dezember an eine große Ausstellung: „Dieter Roth. Balle Balle Knalle“.

Der Titel ist einem seiner Gedichte entlehnt, ich habe es in seinem Lyrik- und Prosa-Band „Da drinnen vor dem Auge“ gefunden: „Balle balle / Knalle / Wann knalln wir / in der Halle / Wir ballern / wenn der knaller kommt / und knallern / was dem Baller frommt! / Knalle Knalle / Balle / So ballerts / in der Halle.“

Ein Dieter-Roth-Projekt hat übrigens auch das Staatsschauspiel im Repertoire, „Hirnbonbon“, und die Staatsgalerie lagert eine stattliche Fluxus-Sammlung in ihrem Depot. So viel zum Thema Fluxus und dem Umgang mit Begriffen.

Ich verlasse die Calwer Passage und wähle, erfolgsorientiert, das Leonhards­viertel. Der kleine, dank politischer Willkür und Ignoranz heruntergekommene Rotlicht-Distrikt ist inzwischen vom Herrn Oberbürgermeister zur Chefsache erklärt worden. Irgendwie scheint sich sogar bis ins zwei Minuten entfernte Rathaus herumgesprochen zu haben, dass es in der Altstadt neben der Elendsprostitution ein Leben und einen historischer Stadtkern mit vielen denkmalgeschützten Häusern gibt. Dass sich Leute für dieses Quartier einsetzen und seit Jahren darauf hinweisen, dass sich dort außer Bordellen und Animierbuden auch gute Bars, Restaurants und Musik-Clubs halten.

Jahrzehntelang hat sich die Stadt geweigert, mit einer vernünftigen Immobilienpolitik eine soziale Mischung im Viertel herzustellen. Vor einigen Wochen kam die Meldung, der Architekt und Gastronom Janosch Munkwitz und der frühere Scholz-Barchef Dawit Porwich wollten demnächst eine anspruchsvolle Bar eröffnen, mitten in dem.engen, skurrilen Zipfel der Weberstraße zwischen Hauptstätter Straße und Leonhardstraße. Dazu zitiert die StZ einen „Experten für Stadtentwicklung“: „Wenn Gastronomie als Mittel der sanften Stadtentwicklung im Leonhardsviertel funktionieren soll, muss die Stadt erst einmal ihre Hausaufgaben machen und die angekündigten Impulse liefern. Dann kann hier vielleicht ein St. Pauli im positiven Sinne entstehen.“

Wenn man diese Zeilen liest, fragt man sich, ob der „Experte“ Hamburgs Stadtteil St. Pauli (28 000 Einwohner) nie gesehen hat oder aber das Leonhardsviertel (800 Überlebende) nur aus den Schilderungen wahrnehmungsgestörter Freier kennt. Herr, schmeiß Hirnbonbon ra. Der St.-Pauli­-Vergleich ist dümmer als die Meinung, der Nesenbach sei Stuttgarts Elbe (den Nesenbach sieht man ja nicht).

Ich gehe am Morgen durch die Stadt, und als alter Butterbrezel-Bohemien sage ich mir: Balle, balle, Durchgeknalle. Lasst doch endlich mal die Kirche im Weindorf.



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