Bauers Depeschen


Samstag, 07. September 2013, 1168. Depesche



ACHT SPIELE, KEIN SIEG: FC Heidenheim - Stuttgarter Kickers 2:0

 

15 JAHRE FLANEURSALON

IM THEATERHAUS

Am Montag, 4. November, feiert der Flaneursalon im Theaterhaus seinen 15. Geburtstag. Mit Dacia Bridges & Wolfgang Dauner, Los Santos (mit Stefan Hiss), Roland Baisch, Toba Borke & Pheel - und als Gast Uta Köbernick. Vorverkauf im THEATERHAUS.

Kartentelefon: 07 11 / 4020 720.



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Die aktuelle StN-Kolumne:



DER KEGEL-KELLER

Die heiße Septembersonne treibt den ­Spaziergänger vorwärts, er darf die gut ausgeleuchteten Bilder der ­letzten ­Tage des zurückgekehrten Hochsommers nicht verpassen. Wieder bin ich vor dem nicht gerade hohen Hochhaus an der Ecke Föhrich­straße/Stuttgarter Straße in Feuerbach gelandet, vor diesem vergessenen Erinnerungsstück aus der Baukunst der zwanziger Jahre. Früher war das Gebäude das Wahrzeichen einer Siedlung mit schönen Hinterhofgärten; bis heute ist sie bewohnt. Neben der geschlossenen Gaststätte Hochhaus hat ein wundersames portugiesisches Lebensmittelgeschäft Platz gefunden. Es trägt den ­Namen Mercado da Saudade.

Weil der Laden vormittags nicht geöffnet hat, kann ich nicht fragen, warum er aus­gerechnet Saudade heißt. Dieses Wort steht für einen Weltschmerz, wie ihn nur die Portugiesen kennen. Die Lieb­haber des Fado, des portugiesischen Blues, wissen ein wenig von dieser Sehnsucht nach dem Vergangenem, dem Verlorenen. Was Saudade bedeutet, erahnen auch die Freunde des Fußballs, die sich an den großen Spieler Luis Figo erinnern, an seine Augen, als die Portugiesen ihr EM-Finale 2004 gegen die Griechen verloren. Der Deutsche Otto ­Reh­hagel ­hatte die Sieger auf Spielzerstörung getrimmt.

In Feuerbach haben wir heute einen Supermarkt für Seelenschmerzen in einem verfallenden Hochhaus, und es ist Zufall, dass ich am Morgen via Taschentelefon auf „Spiegel online“ gelesen habe, vielen deutschen Städten drohe eine Verwahr­losung wie Detroit. An einem heißen Sommertag Anfang September denkt der Spaziergänger nicht an den Verfall der Städte. Er denkt an Figo und hat genug mit sich selbst zu tun.

Mit der U-Bahn fahre ich zum Feuer­bacher Bahnhof, weiter geht es zu Fuß ins türkische Viertel im Industriegebiet. Die Läden und die Moschee Yeni Camii findet man in der Mauserstraße, benannt nach den Brüdern Paul und ­Wilhelm Mauser, den Gründern der Oberndorfer Waffenfabrik.

In der ­Albrechtstraße, irgendwo in der Nähe von Behr und Bosch, hat der türkische Friseursalon Berber eine ordentliche Männer­rasur für sieben Euro im Angebot. Ich bin von der Föhrichstraße zur Mauserstraße gereist, weil es eine Verlockung ist, über Feuerbach nach Portugal und direkt weiter in die Türkei zu gelangen, während viele Leute im Kessel glauben, der Schlund der Welt sei das Weindorf.

Leider fährt die Linie 15 von Feuerbach zum Hauptbahnhof zurzeit nicht über den Nordbahnhof, wegen Bauarbeiten wird sie umgeleitet. Eine Tour zum Nordbahnhof ist immer aufregend. In die Gegend, wo der Autor und Aktionskünstler Harry ­Walter auf­gewachsen ist. Seinen Namen habe ich schon hie und da erwähnt, und jetzt hat er mir wieder eine Geschichte gesteckt, die ich unbedingt ­weitergeben muss.

1969 arbeitet Harry als Kegeljunge. Sein Job ist es, beim Kommando „Kegel auf!“ die gefallenen Kegel in ihre Ausgangsposition zurückzustellen. Harrys Sportsmänner rekrutieren sich aus pensionierten Eisenbahnern, die meisten von ­ihnen haben noch den Ersten Weltkrieg erlebt.

1969 ist Harry vierzehn und auf dem besten Weg, sich der internationalen Hippie-Bewegung an­zuschließen, dem ­Gesindel der Gammler und Kriegsdienst­verweigerer. Hinter dem Bretter­verschlag am Ende der Kegelbahn belauscht er die Gespräche der Männer. Klar ist für sie, dass Gammler und Pazifisten alles kaputt ­machen wollen, was die Väter gerade aufgebaut haben. Diese Kerle, sagen sie, würden auch den Stuttgarter Bahnhof in die Luft jagen, wären sie nicht zu faul dazu. Dann lachen sie, und am ­lautesten lacht der Maurergeselle unter ihnen, er hat einst eigenhändig am Bau des Hauptbahnhofs mitgewirkt.

Harrys Geschichte hat mit Saudade praktisch nichts zu, und es gäbe wenig Gründe, sie zu erzählen, wäre der Schauplatz der Kegelrunden nicht bis heute der Brennpunkt heftiger politischer Konflikte. Die Kegelbahn lag nämlich tief im Keller des Stuttgarter Bahnhofsturms. Und Harrys Erinnerungen sind keineswegs von dem Umstand getrübt, dass er als Vierzehnjähriger bei jedem Kegeltreff am Dienstagabend nicht nur mit einem Bierschinken­wecken belohnt wurde, sondern sich auch eine ­Flasche Bier einverleiben durfte. Von der Existenz der Kegelbahn im Bahnhofsturmkeller besitzt er einschlägige Foto­beweise. Leider kann er heute nicht mehr mit Sicherheit sagen, ob die Kegel aus Eichenholz oder Metall ­gefertigt waren. Auch weiß er nicht, ob die Sportstätte überlebt hat.

Die Ermittlungen dazu werden weder Harry noch unsereins aufnehmen. Diese Ausgrabungsarbeiten überlassen wir dem neuen Projektleiter von Stuttgart 21. Der Mann ist ein eingefleischter Bayer, er hat also die Ausdünstungen von Bier und Bierschinken von Geburt an in der Nase. Auch die in Bayern üblichen Hellseher­gaben muss er besitzen, sonst hätte er neulich nicht hoch auf dem ramponierten Bahnhofsturm prophezeit, S 21 werde 2021 vollendet sein.

Eines Tages, wenn auch der Turm gefallen ist, werden wir den Jubel hören: Alle Neune!



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