Bauers Depeschen


Dienstag, 29. Januar 2013, 1049. Depesche



 

IM MAI IN DER RAMPE:

DIE FLANEURSALON-FAMILIEN-BANDE

Für Freitag, 17. Mai, ist die Flaneursalon-Familiensaga im THEATER RAMPE geplant: Roland Baisch tritt mit seinem Sohn Sam Baisch auf, Zam Helga mit seiner Tochter Ella Estrella Tischa. Dazu haben wir den Rapper Toba Borke und seinen Beatboxer Pheel im Programm. Talkin' 'bout my generation ... Der Vorverkauf hat begonnen.



SIGNIERTE BÜCHER BEI RATZER

Die Berliner Edition Tiamat hat eine kleine Nachauflage meines Buchs "Im Kessel brummt der Bürger King - Spazieren und über Zäune gehen in Stuttgart" herausgebracht. Es gibt auch wieder signierte Bücher im Plattencafé Ratzer Records am Leonhardsplatz.



NOTIZ

Die StN-Kolumne "Zwanzig Minuten" über Reiche und Arme in Stuttgart findet man in der Depesche vom 26. Januar.



SOUNDTRACK DES TAGES



Die aktuelle StN-Kolumne:



NEUES VOM ZEREMONIALDOLCH

Der Sonntag, hie und da habe ich es erwähnt, ist mein Zeitungstag. Nach ein paar Leibesübungen am Morgen im Freien blättere ich zu Hause auf dem Fußboden wild herum in der Absicht, mir die Unverzichtbarkeit einer Zeitung zu beweisen. Wer will schon sonntags in den Spiegel schauen und sagen: Du bist tot.

In der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ las ich Volker ­Weidermanns Geschichte über einen Besuch bei dem amerikanischen Star-Schriftsteller und Meisterreporter Tom Wolfe in New York; Wolfes neuer Roman „Back to Blood“ erscheint diese Woche auf Deutsch.

Wie bereits in seinem Roman „Ein ganzer Kerl“ spielt auch in seinem neuen Buch eine kleine Stadt in Europa eine Rolle. Sie heißt Stuttgart. In „Ein ganzer Kerl“, ich habe es mal erzählt, liest man von einer Begegnung im Büro des korrupten Bürgermeisters von Atlanta. Der besitzt eine stolze Sammlung afrikanischer Kunst, darunter zahlreiche Zeremonialdolche vom Volk der Yoruba. „Ich habe alle diese Stücke geschenkt oder geliefert bekommen, nachdem ungefähr ein Dutzend Telefonate geführt wurden“, erzählt der Bürgermeister seinem Besucher. „Ich habe das National Museum in Lagos, Nigeria, angerufen, ich habe die Hammer Collection angerufen du weißt, Armand Hammer? Ich habe das ­Linden-Museum in Stuttgart in Deutschland angerufen . . .“

Tom Wolfes neues Buch handelt von einem Oligarchen in Miami, der dem ört­lichen Museum Kunstwerke im Wert von siebzig Millionen Dollar schenkt. Ich habe den Roman noch nicht gelesen, aber ein guter Bekannter und Amerikafreund hat mir rechtzeitig Elektropost geschickt: „Der Roman führt auf den letzten Seiten nach Stuttgart, zu einem Mann, der die alten Leinwände präpariert und einen Fundus an Artefakten hat, die einem Fälscher nützlich sind.“ Und der Amerikafreund ist sich ­sicher: „Wolfe hat Kujau verarbeitet.“

An Konrad Kujau können Sie sich noch erinnern. Das war der Stuttgarter Militaria-Händler und Maler, der vor dreißig Jahren dem „Stern“ für etliche Millionen Mark gefälschte „Hitler-Tagebücher“ verscherbelte. Im Mai 1983 wurde der Jahrhundert-Bluff aufgedeckt, auch mithilfe einer Zeitung, den Stuttgarter Nachrichten. Der Regisseur Helmut Dietl hat die Geschichte mit deutscher Starbesetzung unter dem Titel „Schtonk“ verfilmt. Konrad Kujau, eine schillernde Rotlicht-Figur und ein begnadeter Schriftenfälscher, saß drei Jahre im Knast. Er starb im September 2000 mit 62 Jahren als berühmter Mann. Mancher erinnert sich noch an seine Kneipe Alt-Heslach, Böblinger Straße, und keiner weiß bis heute, wo die „Stern“-Kohle geblieben ist.

Die Kujau-Erinnerung war nur ein Nebenprodukt meines Sonntags auf dem Fußboden. Wichtiger erschienen mir Tom Wolfes Ratschläge an die Reporter zur ­Bekämpfung der Zeitungskrise: „Das Haus verlassen! Mit Leuten reden. Das ist niemals langweilig. Sie glauben gar nicht, wie viele Schreiber nie rausgehen. Dazu kommt, dass die Journalisten heute alle so spezialisiert sind, dass sie sich mit ihrer eigenen Aufgabe unendlich langweilen. Und sie langweilen auch die Leser. Unsere Aufgabe ist aber Unterhaltung! Ich kann gar nicht glauben, dass das immer noch so unterschätzt wird.“

Bis zu diesem Tag dachte ich, ich hätte mich gar nicht so wenig mit Unterhaltung beschäftigt. Doch erst jetzt ging mir auf: Das Unterhaltungshandwerk lebt wohl auch von der Courage, sich mit den Menschen zu unterhalten. „Das Haus verlassen. Mit Leuten reden.“ Schwierige Sache. ­Irgendwie muss man ja herausfinden, wie die Leute ticken. Warum sie seltsam ticken.

Heute geht Unterhaltung auf der Straße so: „Ey, Mann, wir sehn uns. Schick mir ­eine Mail!“ Das ist die höhere Form der Unterhaltung. Man nennt sie Kommunikation. Oft erscheint es mir als lebensgefährlich, mich nach dem Verlassen des Hauses mit Leuten zu unterhalten. Grüße ich beim Herum­gehen in einer einsamen Gegend oder beim Joggen im Wald einen Fremden mit den Worten „Guten Morgen“, schaut er mich an, als hätte ich gesagt: „Geld her, oder ich ­ramm dir meinen Zeremonialdoch in den Unterleib.“ Spricht mich umkehrt auf der Straße ein fremder Nachbar an, denke ich: „Ist der scharf auf mein Smartphone?“ ­Diese Situationen erlebt man nach meinen Erfahrungen speziell in Stuttgart. In Tom Wolfes Heimat spricht es sich selbst dann leichter mit den Leuten, wenn man ihre Sprache nicht kann.

Ich weiß schon, es ist verdammt schwer, die Leute zu unterhalten. Unsereins wird noch einmal von vorne anfangen. Sollten Sie mir irgendwo begegnen, wechseln Sie bitte nicht die Straßenseite. Wir müssen uns unterhalten. Bei Unklarheiten schicken Sie mir vorab eine Mail.



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