Bauers Depeschen


Freitag, 23. November 2012, 1014. Depesche



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NACHTRAG, ELEND: Stuttgarter Kickers - SV Darmstadt 98 1:1



FLANEURSALON LIVE

Am Sonntag, 2. Dezember (19.30 Uhr), gastiert der Flaneursalon im Weilimdorfer WEIHNACHTSTIPI auf dem Löwen-Markt. Mit den Song-Duos Eric Gauthier & Jens-Peter Abele und Dacia Bridges & Gabriel Holz – und Roland Baisch als Entertainer.



GESCHENKPAPIER

Weil ich immer wieder gefragt werde: Mein Buch "Im Kessel brummt der Bürger King" (siehe Cover rechts) ist regulär im Handel erhältlich. Der Verleger mahnt an, vor dem Weihnachtsgeschenkfest sei da noch was zu tun ... die Zeiten sind hart. Wer braucht schon bedrucktes Papier? Das Buchdeckel-Foto ist übrigens von Lutz Schelhorn.



SOUNDTRACK DES TAGES



150. MONTAGSDEMO

Kommende Woche, am 26. November, findet am Hauptbahnhof die 150. Stuttgarter Montagsdemo gegen Stuttgart 21 statt. Beginn: 18 Uhr. Mit Christine Prayon, Volker Lösch, Egon Hopfenzitz u. a. Meine Betrachtung dieses Ereignisses wird am Tag des Jubiläums in meiner Stuttgarter-Nachrichten-Kolumne (und auf der Depeschenseite) zu lesen sein. Vor einem Jahr, am 21. November 2011, ging die 100. Montagsdemo vor dem Hauptbahnhof über die Bühne - auch damals hab ich etwas geschrieben, für "Kontext". Diesen Text heute zur Einstimmung auf die Hundertfünfzigste und als Erinnerung:



EIN GUTER TAG

Es wird gefeiert, keine Frage, es fragt sich nur, was: Hundert Demos, hundert Wochen des Durchhaltens oder gefühlte hundert Jahre Einsamkeit im Kampf um direkte Demokratie. Am Montag, 21. November 2011, treffen sich die Gegner von Stuttgart 21 zu ihrer 100. Montagsdemonstration, sie kommen mit Stolz oder Freude, zweifelnd oder zornig. Es ist eine seltsame Nummer, immer von Neuem, immer wieder mit neuer Dynamik loszumarschieren, mit Sinn und Verstand oder mit dem Instinkt des Kamels, das auf seinem Weg durch die Wüste zur Tränke eilt.

Es wäre keine Kunst, sich über 100 Wochen-Etappen eines Demo-Marathons lustig zu machen, all die Klischees auszupacken, die auch Wahrheit bergen. Die Geschichten von den Leuten, die ihre Familie vor dem Stuttgarter Hauptbahnhof gefunden haben. Menschen, die sich vor dem abgerissenen Nordflügel des denkmalgeschützten Paul-Bonatz-Baus wie Trümmerfrauen und -männer fühlen, irgendwie bereit, anzupacken, ohne je die Frage klären zu können: Fühlt Sisyphus sich gut, wenn er den beschissenen Stein nach oben rollt?

Ich war nicht bei 100 Montagsdemos dabei, es waren aber etliche Dutzend, auch wenn ich keine Kerben in meine Stiefel geschnitzt oder nach jeder Kundgebung einen neuen Button an meine Jacke geheftet habe. Ich erinnere mich an die ersten Versammlungen der Widerständler vor dem Hauptbahnhof vor 100 Montagen, als es nicht nötig gewesen wäre, die Aktionen den Behörden zu melden. Bei der ersten Demo gegen Stuttgart 21 hat man vier Leute gezählt, etwa zehn weniger als damals bei den Hartz IV-Protesten auf dem Schlossplatz. Der Geruch einer friedlichen Revolte lag noch nicht in der dicken Luft des Kessels, keiner ahnte, dass sich in der tristen Stuttgarter Bahnhofsgegend etwas zusammenbrauen könnte, das bald die ganze Republik beschäftigen sollte.

Wie immer, wenn in schwäbischen Landstrichen etwas läuft, reagierten die Medien mit Häme und folkloristischen Floskeln. Journalisten in Hamburg oder Berlin, oft selbst Einwanderer aus westlichen und östlichen Dörfern, übten sich als Trendschnüffler in derselben provinzlerischen Überheblichkeit wie Stuttgarter Politiker bei ihrem Weltläufigkeitsgetue auf dem Feld des leistungslosen Immobiliengeschachers. Andauern war irgendwo die Formulierung zu lesen, „ausgerechnet bei den biederen Schwaben“ koche die Volksseele hoch. Da es aus der Sicht deutscher Meinungsmacher unmöglich schien, irgendwer könnte ernsthaft aufmucken in einer Gegend, wo man die Biografien von Hölderlin und Schiller, Elser und Ensslin nicht vermutet oder nichts darüber weiß, hat man sich bemüht, den Protest lächerlich zu machen. Mal waren es „Methusalem-Renter“ („Stern“), mal Porsche-Piloten aus der Halbhöhe, schließlich „Wutbürger“ („Spiegel“) aus der erweiterten Spießerabteilung.

Auch unsereins hat sich gelegentlich die Frage gestellt, wer sich da Montag für Montag zu professionell organisierten Kundgebungen am Bahnhof versammelt, aber obwohl ich fleißig meine Kreise zog und die Perspektiven wechselte, wage ich es bis heute nicht, den bunten Demonstrantenhaufen zu charakterisieren oder die Leute über einen Kamm zu scheren, weder über einen verlausten noch einen vergoldeten.

Selbstverständlich habe ich immer wieder Bekannte und Freunde getroffen, im Laufe der Zeit vertraute Montagsgesichter, die ich ohne die hundert Montage nie kennengelernt hätte. Timo, den Fahnenschwenker vom SPD-Ortsverein aus dem Osten der Stadt, Matthias, den Devotonalien-Hersteller mit Fußballverstand, oder Jochen, das laufende Gewissen mit ausgeprägter Neigungen zur klassischen Musik und neuerdings zur Trillerpfeife. Und da war auch Thorsten, der im Zeugenverhör bei den Polizisten sagte, er könne sich an den Text des mir bestens bekannten Redners vor den Scharmützeln des 20. Juni nicht erinnern, weil man nach achtzig Demos nicht mehr jedem zuhöre.

Oft genug aber, wenn ich bei einer Demo war, manchmal aus Gewohnheit, manchmal auch gezielt, um einen bestimmten Redner oder Musiker zu hören, hab ich mich gewundert: Ich konnte mir beim besten Willen nicht erklären, warum an diesem Tag auffällig viele junge Frauen und eine Woche darauf tatsächlich so viele alte Männer auf der Straße waren. Eine Erklärung wäre, dass junge Frauen und alte Männer mehr Zeit haben, sich zu informieren und zu engagieren, als coole Kommentatoren, die zwischen ihren Talkshow-Terminen aus tausend Kilometern Entfernung das Gefühl von hundert Wochen Gemeinsamkeit nicht begreifen.

Der Montag ist ein guter Tag in Stuttgart.



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