Bauers Depeschen


Dienstag, 13. Dezember 2011, 831. Depesche



SOUNDTRACK DES TAGES



FLANEURSALON IN WAIBLINGEN

An diesem Mittwoch, 14. Dezember, machen wir einen Ausflug nach Waiblingen, sind dortselbst im schönen KULTURHAUS SCHWANEN (20 Uhr) zu Gast. Wir kommen mit Roland Baisch, local hero Zam Helga, Dacia Bridges & Alex Scholpp und freuen uns über jeden Besucher in der Fremde. Karten gibt es an der Abendkasse.

Der Vorverkauf für unseren nächsten Stuttgart-Flaneursalon am Samstag, 21. Januar, im MARKT AM VOGELSANG (Ex-Bauernmarkthalle) ist gut angelaufen. Es gibt etwa 150 Karten, bereits ein Drittel ist mit weihnachtlicher Hilfe von guten Freunden weg. Am Vogelsang im tiefen Westen (Linien 9 und 2 vor der Haustür) spielen wir mit Eric Gauthier & Jens-Peter Abele, Dacia Bridges & Alex Scholpp, Tobias Borke & Pheel. HIER GEHT ES ZUM VORVERKAUF



Die aktuelle StN-Kolumne "Joe Bauer in der Stadt":



DER VOLL HEUTIGE

Viel bin ich nicht herumgekommen, in den vergangenen Tagen. Das Übliche. Bad Berg, Stuttgarter Kickers, Dachswald, Sofa. Die erfolgreichste Station, nach dem Nullnull der Kickers, war das Sofa. Dort las ich in einer Geschichte von James Salter den Satz: "Es war eigentlich wie in einer Ehe, uninteressant, aber was gibt es sonst?" Damit war ich zufrieden.

Beziehungen sind meist schon eine komplizierte Sache, bevor sie losgehen. An der Haltestelle Berliner Platz hörte ich, wie ein Junge zu einem Mädchen sagte: "Warum nimmst du mich nicht mit zu dir nach Hause? Schließlich habe ich das Essen bezahlt!" Junge, du warst beim falschen Koch, wollte ich sagen. Aber er sah stärker aus als ich. Ich schrieb den Satz, er habe das Essen bezahlt, in mein kleines Notizbuch. Wenn tagelang nichts in mein Notizbuch wandert, habe ich ein Problem. Dann war das Leben wie eine Ehe.

Am Sonntag, als es sonst nichts gab, habe ich mir einen Dokumentarfilm angeschaut. Er heißt "Inside Job" und handelt von den Hintergründen des Börsendesasters 2008. In dem Film sagt ein Fachmann, die Leute, die davor gewarnt hätten, dass die Blase bald platze, hätte man als "ewig Gestrige" lächerlich gemacht.

Der "ewig Gestrige" ist ein politischer Kampfbegriff, ein Totschlagargument. Man versucht Leute, die etwas gegen das Blasenplatzen haben, als Hinterwäldler, Waldschrate oder Hippies zu verspotten. Die Leute, die andere Leute Hippies nennen, wissen so gut wie nie, wo das Wort Hippie eigentlich herkommt. Es gibt für sie keinen Grund, es zu wissen. Wenn man anderen Leuten unterstellt, ewig Gestrige zu sein, muss man über das Gestern nichts wissen. Vom Ewigen ganz zu schweigen. Woody Allen hat gesagt: Die Ewigkeit dauert lange, besonders gegen Ende.

Neulich hat mir ein Fortschrittlicher, also ein voll Heutiger, gemailt, Leute, die gegen S 21 protestierten, seien "Nostalgiker". Und weil er nicht genau wusste, was das ist, hat er die Internet-Enzyklopädie Wikipedia kopiert: Nostalgiker verklären die Vergangenheit. In einem eigenständig formulierten Satz fügte er hinzu, Leute, die gegen Stuttgart 21 protestierten, hörten "immer noch" Jimi Hendrix und Rolling Stones. Ich antwortete, es sei viel schlimmer: Manche hörten sogar Mozart und Bach. Typisch Fortschrittsverweigerer, hätten sie das Zeitgemäße von Florian Silbereisen bis heute nicht erkannt.

Lustig ist es, wenn ich mir bei Ratzer Records, in der Nachbarschaft der Altstadtkneipe Brunnenwirt, neue Schallplatten kaufe, bevor ich mit meiner Tüte nach Hause gehe. So gut wie immer treffe ich unterwegs einen, der mich mitleidig fragt, ob ich "wieder alte Scheiben" gekauft hätte, von Hendrix, den Stones oder so. Wenn ich sage, ich hätte mir brandneue Vinyl-Produkte von blutjungen Musikanten besorgt, gerade erst aufgenommen und veröffentlicht, schaut mich der voll Heutige ungläubig an. Mein Hinweis, der wahre ewig Gestrige könne mithilfe seiner LP die Musik auch im Internet herunterladen oder als CD hören, bringt den voll Heutigen vollends aus dem Konzept. Woher soll er wissen, dass der Download-Code oder die CD oft mit im LP-Cover liegen.

Na ja, sage ich, jeder Musiker, der etwas auf seine Kunst hält, schaut zu, dass er seine Musik auch auf Vinyl herausbringt. Eine Frage des Stils und der Ehre. Diese Haltung gilt dem voll Heutigen zwar als ewig gestrig. In Wahrheit aber ist Vinyl wie Sex: nicht Internet-abhängig, bei Bedarf aber zum Herunterladen. Das Essen zu bezahlen ist ja keine so sichere Sache.

Verstehst du, sage ich, einer LP-Hülle die Plastikfolie abzustreifen, das ganze Ding in den Händen zu halten, das Schwarze Gold samt einem Booklet herauszuziehen, die Nadel richtig anzusetzen, das ist ein haptisches Erlebnis, erregender als eine Ehe, wenn es sonst nichts gibt.

Früher, als es Vinyl und keine CDs und keine Computer gab, hat mich diese Erfahrung nicht angemacht. Heute bin ich ziemlich scharf darauf. Beim ewig gestrigen Elektro-Dräger in der Hauptstätter Straße habe ich mir schon zwei Mal einen nagelneuen Plattenspieler gekauft. Damit höre ich Musik, die es ohne Mozart und Hendrix heute nicht geben würde. Der ewig Gestrige ist, um die Sache abzuschließen, ein Außerirdischer, der Vinyl hört, Filme schaut, Bücher liest und Museen besucht, damit er eher heute als morgen merkt, welch aufgekochten Schrott man dem voll Heutigen als Fortschritt verkauft.



NOTIZEN

Dankbar bin ich für Zuschriften im Lesersalon, damit der Laden am Laufen und als Forum erhalten bleibt, wichtig ist auch, unten die Friendly-Fire-Links zu beachten, und abschließend melde ich: Die Stuttgarter Kickers gehen als Tabellenführer in ihre fast dreimonatige Winterpause - und ab sofort gibt es 10-Euro-Karten für meine "Blaue Nacht" am Ostersamstag, 7. April (20 Uhr), und zwar in der Kickers-Geschäftsstelle und im Autohaus Albrecht & Deffner, Alexanderstraße 36 am Olgaeck, wo die kleine Show mit dem Revier-Kabarettisten Fritz Eckenga und dem Musiker Roland Baisch stattfindet. Eine absolute Non-Profit-Veranstaltung, wie übrigens auch am Vogelsang.



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