Bauers Depeschen


Dienstag, 29. November 2011, 823. Depesche



Im Moment nur so viel Neues: S 21 - FAZ



SOUNDTRACK DES TAGES



Die aktuelle StN-Kolumne vom Dienstag:



SIEGER FINK

Es ist keine Übertreibung, wenn ich sage, dass sich am 28. November 2011 morgens um acht die Sonne durch die Wolken über Stuttgart kämpfte, um Fink und mir den Weg durch den Westen zu öffnen.

Fink ist der Name meines Laptops, den ich lange ignoriert hatte. Neulich habe ich ihm eine schwarze Fred-Perry-Tasche mit weißen Streifen gekauft, um ihn zurück auf die Straße zu bringen. Auf der Tasche leuchtet ein kleiner goldener Lorbeerkranz, das Zeichen des Boxers und des Siegers. „Fink“, sagte ich, „wir haben das Ding verloren, und es ist wie Hohn, dass heute die Sonne scheint.“ „Ja“, sagte Fink, „die alte Leier. Wir haben’s vermasselt.“

Keine Ahnung, wo er Wyatts berühmten Spruch aufgeschnappt hatte. Fink ist zu jung und zu doof für „Easy Rider“. „Fink“, sagte ich, „wir werden es wieder vermasseln. Aber es war noch nie eine Schande, einer Minderheit anzugehören.“ „Ich weiß nicht, wovon du redest“, sagte Fink.

Wir gingen eine Weile herum, wir kamen am Türken-Restaurant Divan vorbei, an der Russischen Kirche, und ich sagte: „Siehst du, Fink, die Welt gehört uns.“ Fink schwieg eine Weile, dann sagte er: „Du bist ein gottverdammter Loser.“

Früher hätte ich ihm dafür eine verpasst, doch wollte ich den Lorbeerkranz auf der neuen Fred-Perry-Tasche nicht zerstören. „Erst im Elend zeigt sich wahre Größe. Ein Verlierer wächst an seinen Niederlagen“, sagte ich. „Dann wärst du fünfeinhalb Meter groß“, sagte Fink. Diesmal kam mein Jab ansatzlos aus der linken Schulter, hinterließ aber nur ein Luftloch, weil die Fred-Perry-Tasche verrutscht war.

„Fink, es gibt Kämpfe, die kann man nicht gewinnen“, sagte ich. „Der Gegner ist zu mächtig, er hat zu viel Kohle und die Propaganda hinter sich. Als kleiner Verein kannst du nicht mit der Spendenbüchse gegen Banken und Konzerne kämpfen.“ „Du hast verkackt“, sagte Fink.

Ich weiß nicht, warum Fink so geworden ist. Er ist nicht dumm geboren, könnte stolz darauf sein, nicht zum großen Haufen zu gehören. Die Mehrheit erkennt man, wenn die Führer der Mehrheit die Geräusche von Kettensägen als Klingelton auf ihre Taschentelefone herunterladen. Das ist der Mehrheitssex der Mehrheit. Man hört diesen Sound, wenn man durch kulturelle Mehrheitsviertel geht, durch Stammheim und Cannstatt, Obertürkheim oder Hedelfingen. In Obertürkheim war ich mal. Da gibt es drei Bahnhofswirtschaften, für die man jeden ICE fahren lässt. Und Hedelfingen hat einen Sackbahnhof, wo die Stadtbahn-Linie 9 endet.

„Die Loser sind im Degerloch“, sagte Fink. Diesmal traf ich voll seinen Klapprechner-Zinken, als er gerade aus der Fred-Perry-Tasche linste. Die Sonne schien so verführerisch, als wäre Sommer, und wir gingen weiter. „Ohne Verlierer gäbe es keine Gewinner“, sagte ich, „Verlierer sind die Mutter des Sieges.“ „Deshalb bist du unentbehrlich“, sagte Fink. „Verlierer lernen dazu, Sieger nicht“, sagte ich. „Dann wärst du Einstein“, sagte Fink.

Ich ließ die Faust in der Tasche, weil ich die Fred-Perry-Tasche schonen musste. „Fink“, sagte ich, „nur der Verlierer lehrt uns das Drama der Niederlage. Ohne Niederlagen wäre der Mensch so erotisch wie ein Mehrheitsklapprechner.“ „Klappe zu, Affe tot“, sagte Fink.

Es tat gut, an einem sonnigen Novembermorgen mit Fink in der Tasche und einer Niederlage auf den Schultern durch den Westen zu gehen. Die Damen blieben stehen und winkten uns zu: „Hier kommt der berühmte Champion Fink mit seinem Loser“, sagten sie. Einige Herren standen rauchend vor ihrer Kneipe, sie tranken Prosecco und Jägermeister. „Fink“, sagten sie, „nimm einen Schluck, damit du diesen Verlierer besser erträgst.“

Fink nahm einen Prosecco und einen Jägermeister. „Du bist korrupt“, sagte ich. „Es ist keine Kunst, den Großen in den Arsch zu kriechen. Du bist ein Schmarotzer. Auf deiner Tasche klebt schmutziger Lorbeer, der Filz.“ Fink rülpste, und er klang wie eine Kettensäge. „Verlierer sollten erst aus dem Haus gehen, wenn es dunkel ist“, sagte Fink. „Ja“, sagte ich, „bei den Dunkelmännern kennst du dich aus.“

Es war Montag, der 28. November 2011, der Tag nach dem Wochenende, als wir das Spiel verloren hatten. „Abgerechnet wird zum Schluss“, sagte ich. „I’m a luscher“, lallte Fink. Er glänzte wie ein Mehrheitshonigkuchen, und die Sonne stand am Horizont. 0:1 gegen Waldhof Mannheim. Das hätte den Kickers nicht passieren dürfen.



FLANEURSALON IN DER BAUERNMARKTHALLE

Unsere erste Lieder- und Geschichtenshow im neuen Jahr findet am Samstag, 21. Januar (20 Uhr), statt, und zwar in der Bauernmarkthalle am Vogelsang, Stuttgart-West. Es ist die erste Veranstaltung überhaupt an diesem Ort. Der Flaneursalon spielt mit Eric Gauthier & Jens-Peter Abele, Dacia Bridges & Alex Scholpp sowie dem Klasse-Rapper Tobias Borke und seinem Beat-Boxer Pheel. Vorverkauf im Dezember.



BLAUE NACHT FÜR KICKERS-MENSCHEN

Für die Fans der Stuttgarter Kickers und andere aufgeschlossene Freunde des Fußballsports arrangiere ich am Ostersamstag, 7. April, einen kleinen Unterhaltungsabend, und zwar in der originell gestalteten Werkstattbühne des Autohauses Albrecht & Deffner in der Alexander-/Blumenstraße am Olgaeck (in dem Gebäude wohnte einst Clara Zetkin). Stargast der "Blauen Nacht" ist der Dortmunder Schriftsteller und Kabarettist FRITZ ECKENGA ("Mein Freund ist aus Leder"); der Borussia-Fan hat erst dieser Tage den mit 10 000 Euro dotierten Ruhr-Literaturpreis erhalten. Musik macht der Entertainer Roland Baisch mit seinem Gitarristen Frank Wekenmann, und unsereins erzählt ein bisschen was über die Kickers und den traurigen Rest der Stadt. Wo es Karten gibt, erfährt man im Dezember. Bestellt sind bereits ordentliche Stadionwürste und gutes Bier.



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