Bauers Depeschen


Sonntag, 15. Mai 2011, 726. Depesche



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DIE STN-KOLUMNEN



BENEFIZ-SALON AM SONNTAG

Am Sonntag, 22. Mai, sind wir mit dem Flaneursalon im Generationenhaus Heslach zu Gast, und zwar im dortselbst integrierten Café NachBARschafft. Unsere Benefiz-Vorstellung zum 10. Jubiläum der Einrichtung startet nachmittags - um 15 Uhr. Am Start sind neben dem Vorleser der große Musikant Zam Helga sowie die bei Gott nicht kleine Musikantin Anja Binder mit ihrem gigantischen Musikanten Jens-Peter Abele. Der Eintritt ist frei. Spenden an das Haus willkommen!



Meine Dortmund-Visite ist beendet - hier die aktuelle StN-Bundesliga-Kolumne:



ZEIG MAL DIE KELLE, ALTER

Es waren hunderttausend oder doppelt so viele, aber welcher Kleinkrämer wollte noch zählen, wenn die ganze Stadt feiert, als gäbe es kein Morgen. Jedes Haus ein Meisterfeierhaus. In jedem Laden, in jeder Kneipe kostümiertes Meisterpersonal. Sogar ein Bordell hat man meisterhaft in den Clubfarben Schwarz-Gelb gestrichen.

Ich bin bei Wilfried Harthan im Dortmunder Kreuzviertel, in der Nähe des Stadions, gelandet. Wilfried ist schwäbischer Migrant, er lebt seit 30 Jahren in Dortmund, geht seit 30 Jahren zur Borussia. Als er in der Nacht nach dem letzten Sieg zum schwarz verhangenen Himmel schaut, ist er ratlos. „So was“, sagt er, „habe ich noch nie erlebt. Kannst du mir das erklären?“

Nein, kann ich nicht. Ich bin ein Tourist aus Stuttgart, habe in jüngster Zeit viele beachtliche Menschenaufläufe gesehen (nicht immer bei den Stuttgarter Kickers), aber ein solches Theater noch nie. Die Borussen-Fans singen und tanzen auf den Kreuzungen und Plätzen, die Dortmunder Steel-Drum-Band zieht mit gutem Sound und großer Würde durch die Straßen, und am nächsten Morgen erwache ich mit der Zeile aller Zeilen im Brummschädel: „Wer ist deutscher Meister? – BVB Bo-rus-si-a.“ T-Shirts lügen nicht: „Total bekloppt.“

Zwar hat sich das Team des schwäbischen Trainerhelden Jürgen Klopp schon zwei Wochen vor der Wahnsinnsparty den Titel gesichert. Aber seit Samstag ist die echte Meisterschale in der Stadt, und alle feiern noch einmal, als hätten sie ein Finale gewonnen. Dabei haben sie nur die Frankfurter Eintracht in die zweite Liga gekickt. Wen aber interessieren solche Belanglosigkeiten, wenn das Leben groß ist und das Elend vertagt. Auf einer Kreuzung versucht ein dienstgeiler Polizist, die Fans brüllend an die roten Ampeln zu erinnern, da nehmen sie ihn in ihre Mitte für ein Handy-Foto: „Zeig mal die Kelle, Alter.“ Der Bulle gehorcht.

Vor der großen Gewinner-Show war ich bei Thilo Danielsmeyer im Fan-Büro, er ist einer von vier Sozialarbeitern, die professionelle Betreuung leisten, und er war sich nicht sicher, ob es angesichts des Frankfurter Frusts friedlich bleiben würde. Früher“, sagt er, „hattest du es trotz vieler Zuschauer mit 80 oder 100 echten Hooligans zu tun. Heute organisieren sich Tausende spontan zu irgendeiner Gruppe.“ Die Stimmung im Fanprojekt bleibt entspannt, ein Mitarbeiter heftet einen Zettel an die Bude: „Die für heute geplante Party fällt aus. Aufgrund der tollen Feier am gestrigen Abend haben wir akuten Getränkemangel.“

Da aber war erst die Vorglühphase erreicht. Das Sonntagsspektakel, diese famose Parade des Triumphs mit den Borussen-Helden, mit Popstars wie Nena und Boss Hoss, stand erst noch bevor. Im Fanbüro, von Land, Stadt und Club finanziert, kennt man größere Probleme als leere Bierkisten. Dortmund gilt als Zentrum der Neonazis im Ruhrgebiet, die Experten des Betreuungsprojekts haben genug zu tun, die Rechtsradikalen auf Distanz zu halten.

Auch wenn der Borussen-Fan Wilfried, ein Mediziner, die Fußballwelt nicht mehr versteht, so hilft er mir doch, den Spuren der Clubhistorie zu folgen. Nach dem Vorbild Hollywoods hat man zu Ehren der Borussia auf dem „Walk of Fame“, der Route des Ruhms, Metallsterne in den Asphalt der Straßen eingelassen. Vom legendären Borsigplatz, der Wiege des Vereins, bis zum Stadion sind die Wege kilometerweit mit Geschichte und Geschichten gepflastert. Der Spaziergänger begegnet Dortmunds erstem Sieg gegen Schalke 1943, er grinst über den „Hundebiss im Derby“ (1969 erwischte ein Schäferhund das Gesäß des Schalker Spielers Friedel Rausch), er erfährt von dem Dortmunder Widerstandskämpfer Heinrich Czerkus. Czerkus, ein kommunistischer Stadtrat, war bis 1937 Platzwart der Borussen. Dann ging er in den Untergrund und fertigte ungehindert Flugblätter gegen das Hitler-Regime auf der Druckmaschine des Vereins. Wenige Tage vor Kriegsende haben ihn die Nazis ermordet.

Wie oft vor dem Spiel besucht der Wahl-Dortmunder Wilfried den Schrebergarten seiner Freunde aus der Südkurve, der berühmt-berüchtigten Gelben Wand. 50 Mitglieder, von der Hausfrau bis zum Gewerkschaftsboss, treffen sich regelmäßig im Heinrich-Czerkus-Fanclub. Im Garten wird gegrillt, die Borussen-Fahne weht, ein Schreiner hat das Vogelhäuschen Schwarz-Gelb gestaltet. Am Sonntag trägt Meistertrainer Klopp, welche Verneigung, den Czerkus-Clubschal beim Korso.

Man muss weit zurück in die Geschichte des Ruhrgebiets, um die Botschaft von der „echten Liebe“ der Menschen zu ihrer Borussia zu verstehen. Das Club-Fieber ist nicht mit dem zeitgenössischen Partyphänomen zu erklären, nicht mit dem Drang des Publikums, sich am liebsten selbst feiern. Das ist Kneipe & Kirche unter einem Dach.

Sympathisch wird der Dortmunder Fankult, diese bedingungslose Hingabe zum Club, durch einen gewissen Humor. Seit der Borussen-Keeper Weidenfeller sich im Fernsehen an einem Interview auf Englisch versucht hat, ziert sein wahrster Satz Shirts und Häuserwände: „I think we have a grandios Saison gespielt.“ Und wenn sie in den Kneipen „Wir sind alle Dortmunder Jungs!“ singen, stimmen auch die Mädchen ein. Wie soll das Wilfried begreifen. Er ist auch Fan der Stuttgarter Kickers.

SOUNDTRACK DES TAGES



Der Neckar ruft

FLANEURSALON IM FLUSS

Anlegestelle Neckar Käpt'n Bad Cannstatt,

Neckartalstraße 9, 70376 Stuttgart,

direkt gegenüber der U-Bahn-Haltestelle Wilhelma, Linie 14. ----

Die Vorbereitungen für den Flaneursalon im Fluss laufen auf Hochtouren, und inzwischen ist ein Drittel der 200 Karten weg. Am Mittwoch, 29. Juni, entern wir das Neckarschiff "Wilhelma". Ausflug auf Stuttgarts letzter Arche der Freiheit mit den Musikern Zam Helga, Roland Baisch & Friends, Michael Gaedt, Dacia Bridges, Nils Heinrich. „Der Flaneursalon war so überschwänglich inspirierend, dass man gerne noch länger zugehört hätte, als die Wilhelma nach dreieinhalb Stunden wieder am Zoo dieses Namens anlegte“, so Michael Werner in der "Stuttgarter Zeitung". Glaubt das endlich! Und hier geht's nahtlos zum -> VORVERKAUF



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Fußball-Kolumne Blutgrätsche

 

 

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