Bauers Depeschen


Mittwoch, 28. Juli 2010, 550. Depesche



BETR.: HOMEPAGE

Manchmal ändern sich die Dinge (das Foto mit der Straßenbahnbank hat Lutz Schelhorn gemacht). Beschwerden, Anregungen bitte via „Kontakt“ oder Lesersalon. Ich gebe alles weiter an Ralf Schübel von Ad 1 Media, Stuttgart.



ZUR TAGESORDNUNG

Hier ist meine Kolumne für die Donnerstagausgabe, sie steht noch nicht StN online, ich stelle sie schon mal zur Diskussion, weil sie mir nicht ganz unwichtig erscheint. Für Meinungen wäre ich dankbar: LESERSALON



GROSSMANNSSUCHT



Die Katastrophe bei der Loveparade von Duisburg war noch in allen Nachrichten Thema Nummer eins, da präsentierte die „Region Stuttgart“ ihr neues Tourismuskonzept mit neuem Logo. Auf den ersten Blick mag einem der Hinweis auf einen Zusammenhang der beiden Vorgänge konstruiert erscheinen. Bei näherem Hinsehen haben Städte in der Größenordnung von Duisburg und Stuttgart ein ähnliches Problem: Verbissen suchen sie sogenannte Image-Events, um sich im immer schärferen Konkurrenzkampf der Kommunen zu „positionieren“ (Marketingjargon).

In Duisburg wurden tödliche Organisationsfehler gemacht oder gar aus Profitgründen geduldet. Die Kette der Pannen spiegelt allerdings weniger die Unfähigkeit von Polizisten oder die Skrupellosigkeit von Managern wider als vielmehr den Hang von Politikern zur Großmannssucht. Bei der Aussicht auf große Events, sogenannte Alleinstellungsmerkmale (Marketingjargon), verlieren Kommunalpolitiker oft die letzten Reste der Vernunft.

Es ist wahr, der Konsument ist scharf auf Großveranstaltungen, er hat den Wunsch nach Masse. Das erleben wir beispielsweise beim Fußball, wo der heimische Flachbildschirm und die Kneipe mit Videobeamer und Leinwand längst nicht mehr genügen. Auf Fanmeilen veranstaltet man für Hundertausende „Public Viewing“ (sinnentleerter Marketingbegriff).

Die Sehnsucht nach Party erleben wir auch im Kleinen, etwa bei den langen Nächten für Kultur- und Einkauftrips. Diese eher harmlosen Bus-Touren sagen viel über die Lust auf Party. Würden sich die Passagiere nämlich in erster Linie für Kunst oder Klamotten interessieren, kämen sie in Ruhe bei Tageslicht an den Ort ihrer Muße.

Seit es kaum noch möglich ist, die Attraktivität von Städten allein über ihre gewachsenen Symbole zu verkaufen, etwa über Mercedes, Porsche und den Fernsehturm, giert man nach „Highlights“. Es geht um „Image-Produkte“. Um „Marken“.

Stuttgarts Rathauspolitiker, vorneweg ihr Chef, machten sich lächerlich, als sie auf ihrem „Höher, hässlicher, teurer“-Trip bei der Planung des „Trumptower“ von Scharlatanen vorgeführt wurden. Sie blamierten sich, als sie bei der Präsentation ihrer Olympia-Bewerbung für 2012 wie Hinterwäldler herumstolperten.

Dennoch zeigten sie wenig später keine Hemmung, sich um die Ausrichtung der damals schon abgetakelten Berliner Loveparade zu bemühen. Und selbst als die Warnung von Polizisten und anderen Fachleuten, Stuttgart (kaum größer als Duisburg) könne den Techno-Gipfel nicht stemmen, schon gehört wurde, forderte die Kulturbürgermeisterin Eisenmann noch einen Nachschlag. Man könne doch, sagte sie, ein „abgespecktes Konzept“ anstreben.

Dieses Denken verrät Eitelkeit und Größenwahn. Mit Mega-Entertainment kämpft man gegen den Minderwertigkeitskomplex. Dabei passen Massen-Events allein aus wirtschaftlichen Gründen nicht mehr in die Zeit. Die provinzielle Haltung, sich mit Superlativen zu brüsten, erkannte man zuletzt nicht nur im (inzwischen gestrichenen) Stuttgart-21-Slogan „Das neue Herz Europas“ und bei der Angeberei mit „Europas größter Baustelle.“ Ähnliche Töne kommen aus dem Marketing-Büro der Stadt, wo man für ländliche Kirmesfeiern wie dem Volksfest „Luft nach oben“ sieht, andernorts aber urbane Qualitäten ignoriert. Man erkennt Großmannssucht bei der Betrachtung künstlerischer Leistungen, etwa wenn der großartige Auftritt der Fantastischen Vier auf dem Wasen nur noch an der (schwachen) Besucherzahl gemessen wird. Entsprechend fantasie- und identitätslos greift man zu einem neuen Logo für die „Region Stuttgart“: ein Wischiwaschi-Zeichen, jederzeit verwendbar auch für Creme-21-Flaschen.

Eher zufällig und aus Neugier war ich in diesem Jahr zweimal als Tourist in Duisburg (wohin Reporter fahren, um über die sozialen Probleme einer hoch verschuldeten Kommune zu berichten). Mir hat es in Duisburg vor allem Normans Fosters Architektur im neu gestalteten Innenhafen angetan; auch die Kunst in der Küppersmühle und im Museum DKM fand ich eine Reise wert. Solche Dinge aber interessieren Politiker nicht. Lieber riskiert eine überforderte Stadt im Wettlauf ums Image gegen alle Einwände das Leben von Menschen. Eine andere verstümmelt gegen die Proteste ihrer Bürger ein Baudenkmal.

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