Bauers Depeschen


Donnerstag, 14. Januar 2010, 427. Depesche



Nächster Flaneursalon: Mittwoch, 24. Februar, Theater Rampe

Karten: 0711 / 620 09 09 - 16.

Kolumnen in den Stuttgarter Nachrichten



BETR.: TEXTE GESUCHT – FOLGE 6



In der Depesche vom 5. Januar habe ich angekündigt, etwa zwei Wochen lang Texte von fremden Autoren (Depeschen-Lesern) auf meine Seite zu stellen, weil ich selbst nicht tippen darf, rechter Arm geschient. Die mir gemailten Beiträge werden nicht verändert oder korrigiert. Jeder kann mitmachen. Kommentare sind erwünscht, das Ding heißt INTERnet und nicht dead end street: „Kontakt

Heute ein Beitrag von Stefan Geyer. Herr Geyer hat 30 Jahre in Berlin gelebt und dort lange als Buchhändler gearbeitet, ehe er im neuen Jahrtausend zum Suhrkamp Verlag nach Frankfurt am Main wechselte. Weil er keine Lust hat, mit seinem Arbeitgeber demnächst in die Hauptstadt zurückzukehren, wird er künftig für einen kleineren Verlag in Frankfurt aktiv.



ÜBER BAUSÜNDEN UND ANDERE VERLUSTE



VON STEFAN GEYER



Jetzt da der Herr Bauer verletzungsbedingt ausfällt und eindringlich nach Platzhaltern fragt, besteht die einmalige Möglichkeit, auf andere Städte hinzuweisen. Die Welt ist größer als Stuttgart.

Eine dieser Städte, in Bauers Aufruf ausdrücklich erwähnt, ist Frankfurt am Main, per ICE eine gute Stunde von Stuttgart entfernt. Daran wird auch Stuttgart 21 nichts ändern.

Derartige Untertunnelungspläne bewegten einst auch in Frankfurt die Gemüter. Pläne wurden gezeichnet, Kosten kalkuliert und bald war das Projekt wieder begraben. Wenn Sie also, liebe Stuttgarter, in zehn Jahren mal wieder mit dem Zug in einen Kopfbahnhof einfahren möchten, dann nichts wie ab nach Frankfurt.

Auch fußballmäßig, diese Bemerkung sei mir gestattet, steht Frankfurt besser da als Stuttgart. Während der VfB gegen den Abstieg kämpft, hat sich die Eintracht ein gemütliches Plätzchen im Mittelfeld erarbeitet, wer hätte das vor der Saison gedacht. Und der Bornheimer Lokalclub FSV spielt in der 2. Liga, noch.

Frankfurt geht derweil anderer Dinge verlustig, dem Suhrkamp Verlag zum Beispiel, oder Charlotte Sänger (Andrea Sawatzki) und Fritz Dellwo (Jörg Schüttauf) als Tatortkommissare. Im letzten Tatort, „weil sie böse sind“, einem der besseren Sorte, redeten Dellwo und Sänger kaum miteinander. Ähnlich hielten es der Verlag und die Stadt, die er mittlerweile verlassen hat, in den letzten Monaten auch. Nur die vereinzelt in der Stadt noch zu findenden Aufkleber erinnern an den berühmten Verlag, der sein Heil nun in der Hauptstadt sucht. „Suhrkamp, Frankfurt am Main“ ist darauf zu lesen, oder auch „Sparr dir Berlin. Initiative Ulla Schmidt zurück nach Hanau S.V.“. Eine Anspielung auf den Suhrkamp Geschäftsführer Thomas Sparr sowie die Herkunft der Suhrkamp-Chefin.

Im Tatort fuhr hin und wieder ein roter Jaguar durchs Bild. Ein ähnliches Modell wie das der Suhrkamp Chefin, das allerdings in Blau gehalten ist. Sie wird es gut verstecken müssen, dort im Prenzlauer Berg. Das Abfackeln von Luxuskarossen gehört in der Gegend mittlerweile zum Alltag. Die S-Bahn fällt auf längere Zeit als Alternative ebenfalls aus. Durch jahrelange Misswirtschaft verursachte Mängel lassen die gelb-roten Bahnen bis ins Jahr 2013 hinein nur gelegentlich verkehren. Es lässt sich allerdings ganz trefflich flanieren auf den breiten Gehwegen der Hauptstadt. Sogar aufrecht und „erhobenen Hauptes“.

Sollte den Neuberlinern die legendäre „Berliner Schnauze“ in Gestalt eines Taxi- oder Busfahrers entgegenbellen und ungefragt duzen, oder einer der zahlreichen Bettler „Haste ma wat Kleingeld“ fordern, lohnte sich eine Anleihe bei Kommissar Dellwo: „Hier wird nicht geduzt, wir sind nicht bei IKEA!“

Immerhin, Berlin ist die Zukunft, „das Labor“. Drei Opern, ungezählte Theater, vier Universitäten, die „Digitale Bohème“, also jede Menge kreatives Personal hat die Stadt zu bieten. Dieses Potential versucht Suhrkamp abzuschöpfen. Ob es allerdings auf den Verlag gewartet hat, ist fraglich.

Beim Fußball hört die Kreativität auf. Berlin dürfte in der nächsten Saison die einzige Stadt sein, die zwei Clubs in der 2. Liga hat. Daran wird auch der ehemalige Eintrachttrainer Friedhelm Funkel nichts ändern.

Eine Kastration ihres Bahnhofs hat die Stadt allerdings nicht zu befürchten, der wurde schon kastriert eröffnet. „Die Wurst ist zu kurz“, pflegte Exkanzler Schröder auszurufen, wenn er aus dem Fenster seines ehemaligen Arbeitsplatzes auf die Baustelle des Hauptbahnhofs blickte. Exbahnchef Mehdorn hat die Wurst kurzerhand abgeschnitten und die Berliner müssen zusehen, wir sie mit dem verunstalteten Bauwerk zurecht kommen. Eine Weitsicht, auf die die Planer von Stuttgart 21 mit einigem Neid schauen dürften.

Wie historische Baudenkmäler zerstört werden, kann jetzt schon in Franfurt besichtigt werden. Die ehemalige - denkmalgeschützte - Frankfurter Großmarkthalle, am Mainufer im Ostend gelegen, wurde in den zwanziger Jahren von Martin Elsaesser erbaut. Für den Neubau der Europäischen Zentralbank (EZB), der an dieser Stelle errichtet werden soll, wurde das Gebäude bereits seiner Annexbauten beraubt. Der Plan sieht vor, den Restcorpus zu durchschneiden für den Eingang zur EZB. Die alte Großmarkthalle wird so bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt.

Frankfurt leckt derweil seine Wunden. Denn nicht nur der Suhrkamp Verlag hat die Stadt verlassen, sondern auch der Baumhaus Verlag sowie der VDA (Verband der Automobilindustrie) mit seinem Vorsitzenden Matthias Wissmann. Der VDA residierte nur einige Häuser vom Suhrkamp Verlag entfernt in der Lindenstraße im Frankfurter Westend. Allerdings haben diese Abgänge kaum jemanden interessiert.

Immerhin, Frankfurt hat einen schönen Bahnhof, einen Kopfbahnhof. Und den wird die Stadt auch behalten.



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