Bauers DepeschenMontag, 11. August 2008, 206. DepescheMONTAG. PUNKT MITTERNACHT.Beinahe hätte ich mich in die China-Affäre verstrickt. Habe begonnen, eine „Peking-Kladde“ zu führen. Das kam so: Als die Eröffnungsshow der Olympischen Spiele zu Ende war, ging ich zur Stadtbahnhaltestelle, weil ich vor Hunger auf Hühner ein Gasthaus aufsuchen musste. Die Bahn fuhr mir vor der Nase weg. Neben der Haltestelle Hölderlinplatz gibt es einen Trödelladen, und weil ich 14 Minuten auf die nächste Bahn warten musste, durchsuchte ich die Bücherkisten. Eine war voll gepackt mit ungekürzten Karl-May-Bänden, das Exemplar zu anderthalb Euronen. Ich griff mir „Halbblut“ und begegnete Karl Mays Wertschätzung des chinesischen Eisenbahnarbeiters im Wilden Westen (siehe Depesche vom 9. August). Dann fiel mir der China-Spruch aus „Star Trek 6“ ein (siehe Depesche vom 10. August). Den Film habe ich vor hundert Jahren als Sondervorstellung bei der Berlinale gesehen, wahrscheinlich ist mir das Zitat deshalb in Erinnerung geblieben. So kam mir der Gedanke für die Peking-Kladde. Sie wäre mir auf Dauer aber wohl zu anstrengend: Gestern habe ich sporadisch den Fernseher angemacht, weil ich Zahnweh (Wurzelbehandlung) hatte, einmal kam Badminton und einmal Beachvolleyball. Die Zahnwurzel wurzelte heftig. Gott sei Dank beginnt die Bundesliga. Empfehle dringend, die Sonderausgabe von „11 Freunde“ zu kaufen. Die Leute dieses Magazins strengen sich an, was Geistreiches zu machen und bekommen auch was Originelles zustande - beim Thema Fußball schwer genug. Das nostalgische Kultgetue der Intellektuellen beim Anblick des „Kicker Sonderheft“ ist davon nicht betroffen. „11 Freunde“ behandelt Fußball, „Kicker“ den Spielbetrieb. Die Stuttgarter Kickers werden in der Dritten Liga nicht gegen den Abstieg kämpfen, sie werden chancenlos durchgereicht. Der Alt-Punk und ehemalige Schlesinger-Gastwirt Tschelle hat mir nach dem 0:2 gegen Fortuna Düsseldorf wie nach jedem Spiel eine SMS geschickt. Die Botschaft: „Dauerkarte umständehalber abzugeben. VB.“ Ich besitze ebenfalls eine Dauerkarte, Stehplatz B-Block. Habe mir zuletzt ein paar Tage Urlaub gegönnt, eigentlich nur drei. Immerhin: Torwarttraining auf der Waldau, mein linker Ringfinger (Sehnenriss) ist nach sechs Monaten nicht mehr geschient, meine rechte Schulter (Entzündung) gut dauergespritzt und von einer schwedischen Physiotherapeutin mit blauen Augen bearbeitet. Es kann mir vor dem Tod praktisch nichts mehr passieren, und das Wasser im Bad Berg ist fantastisch. Neulich, als ich die Geschichte „Der Marlboro-Mann“ in vier Teilen auf die Homepage stellte, wurde fleißig geklickt. Im Schnitt 150-mal pro Tag, der Zähler registriert jeden Rechner nur einmal am Tag. Würden alle Klicker den Flaneursalon besuchen, wäre z. B. die Rosenau voll wie die Hundeweide hinter meinem Olympia-Gasthaus. Einmal stiegen die Klicks auf über 200, da aber hatte mich ein Zwangsblogger in seiner Therapieanstalt für Alleinunterhalter ohne Publikum - auch Online-Forum genannt - gewürdigt und verlinkt: „Dieser unerträgliche...“ usw. Chinas Hühner warten, würde der Zwangsblogger sagen, auf den Mann aus der Ess-Bahn. „Kontakt“ - Nächster Flaneursalon am Dienstag, 19. August, beim launigen Zeltfestival im schönen Ditzingen. Mit Los Gigantes, Dacia Bridges & Alex Scholpp. 20 Uhr. Siehe Termine. |
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